Das Thema
Sterbehilfe sorgt in Italien immer wieder für heftige Diskussionen.
Eine in diesem Bereich neue Debatte hat der Vatikan am Dienstag
angestoßen. War bisher die passive Euthanasie bei gehirntoten
Patienten auch von der katholischen Kirche akzeptiert, will man diese
gesetzliche Regelung jetzt überarbeitet wissen. Denn der Gehirntod sei
nicht das Ende des Lebens.
Lucetta Scaraffia,
Mitglied der nationalen Bioethik-Kommission und des Vereins für
„Wissenschaft und Leben“, hat in der Vatikan-Zeitung „L’Osservatore
Romano“ die Harvard-Kriterien, die 1968 einen Menschen für tot erklärt
haben, wenn es keine messbaren Aktivitäten des Gerhirns mehr gibt, als
„veraltet“ angeprangert.
Bis zu dieser
Definition des Todes im Jahr 1968 galt eine Person als tot, wenn das
Herz-Kreislaufsystem zum Stillstand kam.
„1968 ging man
erstmals davon aus, dass hirntote Patienten tot sind. Neueste Studien
widerlegen das jedoch“, schreibt Scaraffia. Die Wisenschaft habe
mittlerweile bewiesen, dass der Hirntod nicht dem Tod eines Menschen
gleichkomme. Viele Neurologen, Juristen und Philosophen seien sich
darin einig.
Die Entscheidung, den
Hirntod als das Ende des menschlichen Lebens zu akzeptieren, basiere
vielleicht weniger auf wissenschaftlichen Überlegungen, sondern auf
dem Interesse, Organe zu transplantieren.
Die Erkenntnis, dass
hirntote Patienten weiterleben, bringe neue Probleme für die
katholische Kirche mit sich, die die Entnahme von Organen von
Hirntoten nur auf der Basis von angeblichen wissenschaftlichen
Gewissheiten, dass es sich um Kadaver handle, akzeptiert habe.
Die Wissenschaftler
in Italien zeigten sich gespalten. „Für die Kirche ist das Leben
heilig. Doch oft hat das Leben nicht mehr so klare Grenzen. Es ist
logisch, dass es auch im Vatikan oft Verwirrung gibt“, sagte der
Leiter des Mailänder Krankenhauses Niguarda, Carlo Alberto Defanti.
In Italien tobt seine
Monaten eine heftige Diskussion über Sterbehilfe. Die Debatte erfolgt
unter dem Eindruck des Falls der Koma-Patientin Eluana Englaro, deren
Vater von einem Mailänder Berufungsgericht kürzlich die Genehmigung
zur Aussetzung der künstlichen Ernährung erhalten hat, die die
35-jährige Frau am Leben hält.
Gegen den Beschluss
des Mailänder Berufungsgerichts, das dem Vater die Erlaubnis gegeben
hat, Eluanas Ernährung einzustellen, haben mehrere
Anti-Sterbehilfe-Organisationen eine scharfe Kampagne gestartet. Sie
wollen beim Kassationsgericht in Rom Einspruch gegen den Beschluss der
Berufungsrichter erheben.
Dr. Paul Fries
ist Naturwissenschaftler. Er lebt in Erlangen und hat täglich
Einblick in den Medizinbetrieb, wie er in Deutschland usus ist.
Sein Beitrag entstammt einem Vortragsmanuskript aus dem Jahr 1987
zum Gesundheitstag in Kassel. Schon damals wurde in den Kliniken
praktiziert, was nun vom Transplantationsgesetz auf Gehirntotbasis
nachträglich legalisiert worden ist.
Das Thema Tod,
Krankheit, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit sind heikle
Themen, in einer Zeit, in der die sogenannte geistige Aufklärung
den Menschen nichts gelassen hat, als das jetztige, diesseitige
Leben. Selbst sattelfeste Gläubige zeigen in ihrem alltäglichen
Leben deutlich die Symtome der Diesseitsbezogenheit - Bereitschaft
zu Stress, Hektik, Lebenssucht, die Akzeptanz, Geld zu verdienen
unter allen Umständen der Selbstverleugnung, um sich leisten zu
können, Erlebnismäßig so viel mitzunehmen, als irgend möglich -
das ist die deutliche Sprache der Angst vor dem Tod, dem ,,Nicht
mehr sein".
Dem entsprechend
ist der Wunschglaube an die Allmacht der Götter in Weiß ausgeprägt
- würde eine Zerstörung dieser Traumvorstellung zu einer
Gefährdung des sozialen Friedens in den sogenannten zivilisierten
Ländern führen.
Sicherlich bemühen
sich die Anhänger der Weißkittelzunft darum, verantwortungsvoll
ihre Arbeit zu verrichten, doch auch sie sind Menschen, auch auf
sie drückt täglich mehr das Risiko des sozialen Absturzes, die
Zwänge der sozialen Existenzsicherung. Somit ist vorprogrammiert,
daß es auch hier ,,Berufene" gibt, deren Moral von ihrem
Geldbeschaffungsinteresse definiert wird. Leider existieren bis
heute keine wirksamen, von der Pharmaindustrie und dem
Medizinbetrieb unabhängige Verbraucherschutzeinrichtungen, die mit
aller Macht dafür Sorge tragen, daß auch tatsächlich der Wille des
als Patient jeweils Betroffene dem Grundgesetz entsprechend
gewürdigt wird, auch über den sogenannten Todeszeitpunkt hinaus
- Die Würde des
Menschen ist unantastbar - Seine körperliche Unversehrtheit ist
garantiert.
Unter den bei uns
herrschende Wolfsverhältnissen, wo sich jeder selbst der nächste
sein muß, um nicht vom anderen übers Ohr gehauen oder sonstwie
geschädigt zu werden, ist nicht verwunderlich, daß die Zerstörung
unter den Menschen zunimmt und als körperliche Gewalt ihren
Ausdruck findet.
Aachener
Volkszeitung vom Dienstag, 14. November 1989
Der Organ -
Handel blüht
RTL - Reportage:
Geschäfte mit dem Überleben
,,Der
internationale Organhandel" heißt die "Explosiv - Extra" -
Reportage, die RTL plus um 21.40 Uhr ausstrahlt. Die Recherchen
führten das Team von Autor Ilan Ziv, der diesen Film in
Zusammenarbeit mit RTL plus, der BBC und dem kanadischen Fernsehen
produzierte, durch die ganze Welt. Beim legalen und illegalen
Geschäft mit Organen geht es um viel Geld. Im Blickpunkt der
Diskussion stehen aber moralische und ethische Grundsatzfragen. Im
Mittelpunkt der Reportage steht Zach Richter, ein amerikanischer
Nierenkranker, den das Filmteam auf seiner Suche nach einer
Spender-Niere um die ganze Welt begleitete - von New York aus, wo
er regelmäßig an eine Dialyse - Maschine angeschlossen wird, durch
acht Staaten: von Deutschland nach China, von Großbritannien in
die Türkei.
Das Ergebnis dieser
Recherche ist im höchsten Maße alarmierend:
Menschliche Organe
sind weltweit zu einer kostbaren Ware geworden. Das menschliche
,,Ersatzteil" bringt Geld, Krankenhäuser verdienen an den
Operationen. Ein Zwei - Klassen - Gesundheitssystem entsteht, in
dem sich nur die Reichen nach Bedarf für eine Transplantation
entscheiden können. Die Armen übernehmen vor allem die Rolle der
Organspender, haben selbst jedoch nur geringe Chancen auf eine
lebensrettende Verpflanzung - nach oft jahrelanger Wartezeit.
In der
Bundesrepublik sprach das Filmteam mit dem Organhändler Uwe
Fürstenberg. In Paris wurde Rainer Graf Adelmann aufgespürt, der
einen Blick in seine Geschäftsbedingungen und seine Preisliste
gestattete.
Nächste Station war
Insbruck. Obwohl Österreich Mitgliedsland von Eurotransplant ist,
Europas führender Organ - Vermittlungs- Organisation, finanzieren
dort italienische Organ - Patienten ein Transplantationsprogrammm.
In England
entnehmen private Kliniken gegen alle Gesetze Organe von lebenden
Spendern, die nicht mit den Empfängern verwandt sind. Nur zehn
Prozent der Transplantationen im vergangenen Jahr wurden überhaupt
registriert und konnten so überprüft werden. Für das Humana -
Hospital wurden l988 eigens Türken nach London geholt, um ihre
Niere zu spenden. Ein Fall, der Schlagzeilen machte und jetzt vor
Gericht untersucht wird.
Häftlinge im
Mantelupa - Gefängnis in Manila verkaufen ihre Nieren -
hauptsächlich an Ausländer. So erkaufen sie sich die Freiheit. "Es
gibt hier 3000 Gefangene", meint ein Ex - Häftling zu Zach
Richter, "alle sind bereit, ihre Niere zu spenden, weil uns die
Behörden dann freilassen."
Die Reise von
Filmautor Ilan Ziv endet in den Vereinigten Staaten. Obwohl der
Kauf und Verkauf von Organen dort verboten ist, funktioniert auch
in den USA ein schwunghafter Handel mit Organen, quasi durch die
Hintertür. Immer häufiger ist von "Entschädigung" williger Spender
die Rede. Natürlich sind hier wie überall wohlhabende Kranke im
Vorteil.
* *
* * *
Das
Geschäft mit dem Tod im Spiegel der aktuellen Presse:
Im Juli 2001 war in
einer Ausgabe der Springer - Kirchpresse zu lesen, daß sich ,,die
skrupellosen Geschäfte mit dem Tod [...] immer mehr aus[weiten]."
Und weiter heißt es: ,,Erst der unglaubliche Vorfall, bei dem
einem Stuttgarter Selbstmörder (57) [, der sich in
Selbstmordabsicht vor eine S - Bahn geworfen haben soll,] die
Herzklappe gestohlen wurde. [...] Die Staatsanwaltschaft prüft
[nun], ob auch Herzschrittmacher von [anderen] Toten verkauft
wurden. [...] Kripo - Beamte [...] sicherten Disketten von PC´s
[eines Bestattungsunternehmens, deren Daten] möglicherweise auf
einen Handel mit Herzschrittmachern hinweis[en. ...] Mitarbeiter
des Bestattungsunternehmens [sollen möglicherweise] von
Verstorbenen Herzschrittmacher entnommen [und diese ... ] für bis
zu 20.000 Mark nach Ungarn verkauft haben. [...] Die
Herzschrittmacher lassen sich bei Verstorbenen sehr einfach
entnehmen. Ein kleiner, rund 6cm langer Hautschnitt unter der
Schulter genügt.
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Der Leitartikel
,,Schönheit im Tod" zu einem ,,Stuttgarter Symposion zur
Bestattungskultur der Zukunft" von Rolf Spinnler, in der 158
Ausgabe im Jahr 2001 der STZ beleuchtet in etwa die Hintergründe
der Sterbekultur in unserer heutigen Kultur. Die wesentlichsten
Gesichtpunkte sind nachfolgend zusammengefasst:
,,Mitten im Leben
sind wir vom Tod umfangen" [... d]as stimmt heute immer noch,
jedenfalls wenn man einen Blick ins Fernsehen wirft. Alle paar
Minuten bekommt man dort eine Leiche präsentiert [... . Es] gibt
[.] immer mehr Vierzigjährige, die noch nie [...] einen
leibhaftigen Toten gesehen haben. [...]
In Deutschland
werden jährlich 860.000 Bestattungen durchgeführt, 165.000
Beschäftigte sind in diesem Gewerbe tätig, der Jahresumsatz der
Branche beträgt rund 20 Milliarden Mark, die Struktur der
Unternehmen ist überwiegend mittelständisch. [...]
Die Kirchen haben
in den säkularisierten Gesellschaften ihr Monopol bei der
Bestattungskultur und Trauerbegleitung verloren, alte Rituale
greifen nicht mehr und sind in einer multikulturellen Gesellschaft
auch nicht mehr von allen nachvollziehbar. Die Zahl der Urnen- und
der anonymen Bestattungen nimmt in den Großstädten zu, in der
Hospizbewegung und in den Aids - Selbsthilfegruppen der
Schwulenszene werden neue Formen der Trauerkultur entwickelt.
Wie in anderen
Lebensbereichen macht sich also auch im Umgang mit dem Tod die
Individualisierung in unserer Kultur bemerkbar. [...]
Anthropologen sehen
in der Tatsache, dass die Verstorbenen von den Hinterbliebenen
begraben werden, ein entscheidendes Merkmal der Gattung Mensch.
Dabei ist die Fürsorge für die Toten überwiegend von Angst
geleitet: Man fürchtet ihre Unheil bringende Rückkehr ins Leben
und versucht diese durch Rituale zu bannen. Das Schließen der
Augen und des Mundes etwa hat genau diese Funktion. [...]
Während im
Mittelalter die Friedhöfe ins Zentrum der Gemeinde um die Kirche
herum angelegt wurden, verlegte man sie seit dem 18. Jahrhundert
immer mehr an den Stadtrand. Das Zeitalter der Aufklärung führte
hygienische Gründe für diese Auslagerung an, aber der Tod durfte
auch aus kulturellen Gründen keinen zentralen Platz in einer auf
Fortschritt eingeschworenen Gesellschaft mehr beanspruchen. Die
staatliche Bürokratie nahm sich des Bestattungswesens an und
erließ im 19. Jahrhundert Gewerbeordnungen, die vorschrieben, wie
eine ,,schöne Leich" zu Grabe getragen werden musste. [...]
Von den Ängsten und
Hoffnungen, die dem Leben nach dem Tod gelten und die in allen
vergangenen Kulturen durch die Begräbnisrituale symbolisiert
wurden, war mit keinem Wort die Rede. Die seriös wie Banker
wirkenden Bestattungsspezialisten [...] verstehen sich als
Dienstleister, die ihren Kunden Wissen, Transparenz und Effizienz
im Trauerfall versprechen.
Der Mensch wird nach dem Ableben zu einem immer mehr
gefragten Objekt der Medizin. Was man Organspendern, Schwerkranken
und Angehörigen dabei verschweigt, wird hier aufgezeigt.
Sektion und
sezieren ist ein Gegenstand, der weitgehend aus dem Bewußtsein
gesunder und kranker Menschen verdrängt ist, was neben
Berührungsängsten an der Verstohlenheit liegt, mit der diese
Tätigkeit betrieben wird. Aber wer mit ihr unversehens
konfrontiert wird, dem geht nicht nur ein Licht auf, sondern er
behält meist einen Schock fürs Leben. Dieser Schock ist wahrhaft
archaischer Natur. Das schlimme daran ist, daß der Betroffene den
Empörungsstau dieses schrecklichen Augenblicks nicht durch eine
ebenfalls archaische Tat befreien kann, denn der ,,Täter" ist ja
gar nicht da, er sitzt irgendwo an einem Schreibtisch! Und das ist
gut für ihn, denn so mancher Betroffene wäre in diesem Augenblick
nicht mehr zurechnungsfähig. Ein Angehöriger‚ den wir in Erlangen
zur Sache berieten, verschaffte sich in der Klinik Zugang und
stand dem Verantwortlichen, wie er uns berichtete, plötzlich an
seinem Schreibtisch gegenüber. Der wußte gleich, worum es ging,
denn es war vorher schon einiges gelaufen. Der Besucher schaute
den anderen lange an und sprach die Worte: ,,So sieht also einer
aus, der mir das angetan hat". Der Andere geriet in Schwitzen und
begann zu zittern. Sicher fühlte er sich wie erlöst, als sein
Gegenüber sich dann umdrehte und - wegging.
Was die Angehörigen
seelisch durchmachen müssen, davon erhält man eine Vorstellung aus
Briefen und Aussagen, geschrieben aus der unmittelbaren Bedrängnis
des Erlebnisses. Bevor wir einige Beispiele vorstellen, müssen wir
wissen, was bei einer Sektion, auch Autopsie, Obduktion oder
innere Leichenschau genannt, eigentlich geschieht. Sektionen
sollen dem Interesse der Qualitätssicherung ärztlicher Arbeit
dienen. Am lebenden Patienten lassen sich entsprechende
Kontrollen, ob z.B. eine Operation sachgerecht erfolgte, kaum
durchführen, es sei denn, es sind Nachoperationen erforderlich.
Stirbt ein Patient nach einem medizinischen Eingriff, können die
Angehörigen, wenn sie Behandlungsfehler vermuten, einer Sektion
zustimmen. Dies bedeutet dann allerdings die chirurgische Öffnung
des Körpers des Verstorbenen, andererseits Erkenntnisse über
Behandlungsschäden und Aufklärung von ,Arztfehlern sowie falschen
Diagnosen (1). So berichtet der Pathologe Stolte, weltweit
durchgeführte Sektionen ließen ca. 40%(!) aller klinischen
Diagnosen (in Krankenhäusern durchgeführt) als falsch erkennen
(2).
Man muß sich einmal
vorstellen, was das heißt, 40% aller Krankenhaustoten starben aus
Gründen, welche den behandelnden Medizinern der Klinik nicht
einmal bekannt waren ! Sehen wir von unvermuteten, bisher nicht
entdeckten Krankheitsformen ab, wieviele der Fehldiagnosen wurden
durch sträfliche Leichtfertigkeit oder Unterlassungen verschuldet
und damit der Tod des Patienten ?! Die Antwort könnten die
Krankheitsforscher (oder Pathologen, wie sie sich nennen ) geben,
denn sie kennen diese Sektionen. - Ich erinnere mich der
Mitteilung einer Dame über einen abendlichen Friedhofsspaziergang
mit einem ihr bekannten (und namhaften, noch nicht lange
verstorbenen) Pathologen, der ihr, von Mitteilsamkeit angewandelt
‚ eröffnete: ,,Wenn wir über jedem Grab eines Toten hier, der von
einem Arzt unter die Erde gebracht wurde, ein Lichtlein anzünden
würden, dann wäre es taghell - - -". Lassen wir nun einige
Pathologen sich deutlicher zu diesem Thema äußern: ,,Artikel 18
des Bayerischen Bestattungsgesetzes verpflichtet die Pathologen,
die Fälle zu melden, bei denen pathologisch - anatomische
Sektionsbefunde in einem Kausalzusammenhang mit ärztlichen
diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen stehen. Der
behandelnde Arzt wertet die gesetzlich geforderte Meldung aber als
Anzeige einer ,,Straftat" im Sinne der Denunziation. Es kann ein
einziger Meldefall genügen, um ein bis dahin ungestörtes
Vertrauensverhältnis zwischen dem behandelnden Arzt und dem
Pathologen zu zerstören --- dies ließe sich nur durch Verzicht auf
Sektion bei verstorbenen Patienten mit vorausgehender
eingreifender ärztlicher Diagnostik und Therapie erreichen (3)".
Gar keine gute Meinung von der ärztlichen Kunst ihrer
Klinikkollegen offenbart sich da bei den Pathologen ! - Ein
anderes Beispiel: "Die Pathologie hat nie den Anspruch erhoben, in
der Medizin die Funktion eines Polizisten oder Richters auszuüben
(4)". Der Rechtsmediziner Dotzauer spricht vom Pathologen, der
kein Büttel der Staatsanwaltschaft sein will (5)".
Wir müssen
erkennen, daß Abschirmungsmechanismen, die durch Schlagworte wie
Verschwörung des Schweigens" oder Pfuschen und Vertuschen"
veranschaulicht werden, bis hinein in Selbstkontrollmaßnahmen, wie
sie durch Sektionsergebnisse erreicht werden, innerhalb des
Medizingewerbes die Regel sind. Es werden hierbei nicht nur
Landesgesetze mißachtet, sondern auch unterlassungsdeliktisch
strafrechtliche Konsequenzen bedenkenlos riskiert. Den Schaden
trägt die Allgemeinheit. Durch Vertuschen bei Sektionen bekannt
gewordener Behandlungsfehler, strafwürdiger und
schadenersatzpflichtiger, wird unsere Bevölkerung massenhaft um
Genugtuungsansprüche gebracht, ohne daß sie davon jemals erfährt
oder nur ahnt. - Anscheinend will sich die Pathologie bei ihren
Klinikkollegen durch strenge Abschottung ihrer Ergebnisse nach
außen lieb Kind machen. Wie man hört, wird Interesselosigkeit der
Kliniker an Sektionen beklagt (6). Nun dienert man sich an.
Berserkerhafte Werbesprüche wie "die Pathologie sei eine Kuh mit
strotzendem Euter, die nur zum Nutzen der Chirurgen gemolken
werden muß "(Erlangen), unterstreichen dies überdeutlich.
Wir haben
festgestellt, daß Sektionen ein Hilfsmittel zur Kontrolle
ärztlicher Arbeit am Patienten in der Klinik, wenn auch leider
erst nach dem Tode desselben, darstellen. Wir haben zur Kenntnis
genommen, daß diese Kontrollarbeiten unter Ausschluß der
Öffentlichkeit stattfinden. Die Sprache muß nun programmgemäß auf
einige sehr mißliche Dinge kommen in dieser ganzen Angelegenheit,
weitgehend anhand der Schilderung von Vorkommnissen.
Das folgende
Ereignis liegt schon einige Jahre zurück. Die Patientin Abdel
Yaliki aus Marokko wurde den Studenten im Hörsaal des Aachener
Klinikums vorgestellt. Die Medizinstudenten drängten den
Professor, unbedingt sofort etwas zu unternehmen, denn die
Patientin wand sich vor Schmerzen und schrie. Der Professor
nichtsdestoweniger führte die Vorlesung zu Ende. Kurz nach der
Vorlesung entdeckten Studenten den Leichnam der Patientin im
Klinikflur. Der Vorfall sprach sich in der Universität herum und
kam auch der Staatsanwaltschaft zu Ohren. Diese setzte die
Kriminalpolizei in Marsch, um die Leiche zu beschlagnahmen. Das
gelang auch, doch die Pathologen waren schneller. Sie hatten die
Leiche bereits seziert und alle inneren Organe der Toten
entnommen. Diese waren unauffindbar. Damit konnte die
Staatsanwaltschaft die erforderlichen Beweise nicht erbringen. Der
Tod der Patientin blieb ungesühnt . Diese sträfliche Praxis kann
für Angehörige schwerwiegende Folgen haben. Eine klinikintern so
schnell wie möglich durchgeführte Sektion verhindert bei
Ärztefehler -verdacht nicht selten eine gerichtsmedizinische
Kontrolle und damit die Sicherstellung entscheidungserheblicher
Beweismittel (7).
Strafrechtlich
liegt hier dringender Verdacht der Strafvereitelung nach StGB §
258 durch Vernichten von Beweismitteln vor, was auch für viele
Sektionen im Rahmen des bereits geschilderten ,,Ausschlusses der
Öffentlichkeit" und ,,Abschottung der Ergebnisse" nach außen
gelten dürfte. Dem nicht mit medizinischen Praktiken vertrauten
Bürger wird es übel aufstoßen, daß Sektionen mißbraucht werden, um
Körperteile Verstorbener verschwinden zu lassen, in verwerflicher
Weise ihre körperliche Integrität zu zerstören. In der Werbung
steht es da ganz anderes. Da heißt es doch: ,,Unkenntnis über den
Ablauf einer Sektion, vielleicht auch Sensationsberichte der
Boulevardpresse, lassen in Angehörigen Verstorbener oft
Zerstücklungsphantasien aufkommen. Die Pathologen versuchen, der
Öffentlichkeit klar zu machen, daß sich die Sektion grundsätzlich
nicht von einem operativen Eingriff unterscheidet" (2). Leider ist
das nicht so. Es wird hier nur eine Idylle vorgegaukelt. Die
Wirklichkeit ist grausamer als so manche Zerstückelungsphantasie.
Der Direktor der Münchner Pathologie hat darüber folgendes zu
berichten ( Briefauszug ):
,, --- Für die
innere Leichenschau werden die Organe des Brust- und Bauchraumes
und der Schädelhöhle entnommen - und nach Beendigung der
Aufbewahrungszeit analog dem Vorgehen in einem Krematorium
verascht. Im Unterschied zur Verbrennung eines ganzen Leichnams in
einem Krematorium sind Aschenreste hierbei praktisch nicht mehr
auffindbar ---". In dem letzten Satz scheint mir eine gewisse
diabolische ,,Abgebrühtheit" unverkennbar: In der Familie des in
dem Brief betroffenen Verstorbenen ist seit Jahrhunderten die
Erdbestattung geheiligter Brauch. Was mag der Sohn des Toten wohl
empfunden haben, als man ihm mitteilt, ein ,,Teil der Asche" sei
ihm nun entgangen --- ? Was den ersten Teil des Briefes anbelangt,
so ist er ein Schock für alle, die getreu dem Wort der Pathologen
(2) glaubten, Sektion sei identisch mit Operation, der Patient
wurde mit der bei Operationen geübten äußersten Schonung zur
inneren Leichenschau geöffnet und dann wieder mit aller operativen
Sorgfalt in etwa den Zustand körperlicher Unversehrtheit
zurückgeführt. Pathologen, die von solcher Gutgläubigkeit hörten,
würden wohl vor Lachen wiehern. In Wirklichkeit wird der
Verstorbene auf den Sektionstisch gelegt, mit einem Schnitt den
Bauch lang von der Harnblasengegend bis zum Brustbein und mit
einem zweiten Schnitt von einer Achsel quer über die Brust
aufgeschlitzt, bis zur anderen Achsel. Dann werden die Hautlappen
über die ganze Körperlänge zur Seite gerollt und der Brustteil
unter das Kinn nach Art einer Halskrause. Die gesamten Eingeweide
liegen nun offen da und werden dann einfach aus dem Körper
herausgenommen, Darm, Magen, Lunge, Leber, auch noch das Herz und
dann die Rippen herausgetrennt. Dann wird der Schädel aufgemacht
und das Gehirn herausgeholt.
Die Pathologen
überlassen nun den total ausgehöhlten Körper des Verstorbenen
Handlangern, die ihn mit Zeitungspapier oder anderem Material
auffüllen und notdürftig auf Fasson vernähen, falls sie dies tun
und nicht die blutigen Reste des Verstorbenen zusammen mit fremden
Leichenteilen achtlos in den Sarg ablegen (31). Die Beisetzung
gerät zur Posse, die Angehörigen beerdigen nicht ihren betrauerten
Toten, sondern nur eine ausgestopfte zerschnittene Hülle, die mit
dem Toten nicht mehr viel zu tun hat. Angehörige, die trotz
entgegenstehender Kennzeichnung durch die Sektionshandlanger den
Sarg. öffnen lassen ‚ erkennen mit tiefer Verschreckung die ganze
Wahrheit. Hier als Beispiel der Brief einer Berlinerin:
,,Der Sarg wurde
geöffnet. Es waren drei Kreuze auf dem Sarg. Was die Leichenträger
nicht wußten: drei Kreuze heißt nicht öffnen. Durch die
Blumendecke auf dem Sarg übersahen die Träger das, waren selbst
entsetzt. Ich kann nur sagen, ich schrie nicht auf, war
versteinert, da die Schädeldecke geöffnet war, Beine, Lunge, alles
war geöffnet worden. Ich bin nervlich am Ende. Ich schlafe seither
mit Schlaftabletten, träume grausame Sachen. Mein Mann wurde ohne
mein Wissen seziert --- Gleich bei der Einweisung nachts auf
dunklen Gängen mußte ich unterschreiben --- Das Kleingedruckte, da
achtet man nicht darauf --- Ich erstattete Anzeige - habe keine
Mittel, einen Anwalt zu Rate zu ziehen --- ".
Die Aushöhlung und
Verstümmelung unsrer Toten in den Sektionsanstalten sind nicht
drei hier geschilderte bedauerliche Einzelfälle. 70 000
Verstorbene werden jährlich bei uns ohne Genehmigung zerschnitten,
wie der Kieler Strafrechtsprofessor Samson 1982 aufdeckte (8).
Jedem von uns und seinen Angehörigen als Leidtragende widerfährt
das gleiche, wenn er sich nicht rechtzeitig und erfolgversprechend,
falls ihm daran liegt, gegen die Sektionsmühlen abschirmt. Lassen
wir uns dabei aber. nicht durch Beschwörung des wissenschaftlichen
Zwecks täuschen. Eine traurige Wissenschaft müßte das sein, deren
Geschäft sich nur durch Mißachtung des Totensorgerechts der
Mitbürger betreiben ließe, von deren Steuergeldern sie lebt. Die
Justiz hat das einmal auf sehr deutliche Weise zum Ausdruck
gebracht in dem berühmten "Gütgemann - Urteil" des Bonner
Landgerichts von 1970 (9):
"Was für die
Unversehrtheit des Körpers des lebenden Menschen gilt, gilt auch
für die Unversehrtheit des Leichnams. Es ist trotz Drängens der
medizinischen Wissenschaft und Praxis anerkannten Rechtes, daß die
Vornahme einer Sektion ein objektiv unerlaubter Eingriff ist" ---
, der nur durch Einwilligung zu einem erlaubten wird ---". "Es
besteht auch keine typische und immer wiederkehrende Kollision
zwischen dem Recht der Unversehrtheit eines Leichnams und
sonstigen Wertentscheidungen des Grundgesetzes ---. Das Grundrecht
der Freiheit der. Wissenschaft findet stets dort seine Grenze, wo
seine Inanspruchnahme ein anderes Grundrecht verletzt --- . Dem
Zugriffswillen des Forschers sind die allgemein gültigen
Rechtsschranken gezogen. Er hat, ohne die Möglichkeit der Berufung
auf die Freiheit der Wissenschaft, die für den Umgang mit Menschen
und Dingen allgemein gültigen Rechtsgrundlagen zu beachten".
Pathologen
beeindrucken solche Beschwörungen des Rechts kaum. Ende der 70iger
Jahre befand sich ihre Zunft auf einem Tiefpunkt: " Es wird kaum
noch seziert", beklagten sie sich in der Fachpresse (10);
Schwanengesänge wurden schon angestimmt:" Krankheitsforschung ist
das zentrale Thema der Pathologie ---. Deshalb wird Pathologie
auch dann noch blühen, wenn sie als Fach oder Disziplin nicht mehr
geführt wird (!) "‚ hieß es zur Eröffnung der 62. Pathologietagung
(11).
Inzwischen hat sich
die Branche Neues einfallen lassen, was vieles, das man ihr bisher
vorwarf, in den Schatten stellt. - In einem Schreiben vom 28. Mai
1982 wandte sich der Erlanger Norbert Stiegler hilfesuchend an den
Abgeordneten des Bayerischen Landtags Horst Heinrich, dem nach
Ableben der Mutter die Todesbescheinigung verweigert und wegen
Sektionsverweigerung von der Klinik der Kriminalpolizei gemeldet
wurde (!). Er schreibt u.a. : ,, --- Meine Schwestern und ich
mußten Minuten nach dem Ableben unserer lieben Mutter in der
inneren Medizin der Universitätsklinik Erlangen die schreckliche
unmenschliche Brutalität hautnah miterleben durch die Forderung
eines Herrn Dr. P.: " Dann geben Sie uns doch wenigstens den Kopf
Ihrer Mutter". Diese Forderung kam, nachdem wir eine Sektion
verweigerten --- Es darf nicht sein, daß die Leiber unserer
geliebten Toten ohne Zustimmung in die Hände von Menschen
gelangen, die --- diese zerschneiden ---".
Die Stieglers
wußten damals noch nicht, was es mit dieser ,,Kopfjagd" auf sich
hatte. Kurz danach enthüllte im ZDF - Teleillustrierte (1.4.82)
unter dem Titel ,,Schwunghafter Handel mit menschlichen Organen"
der ehemalige Sektionspräparator H. D., an der Tübinger Uni -
Klinik würden aus den Köpfen Verstorbener Organteile an die
Pharmaindustrie abgegeben werden". ,,Ihn störe, daß aus den
Leichenteilen Geld gemacht werde, für die Hirnhaut 15.-DM, die
Hirnanhangdrüse 8.- DM". Das Schwäbische Tagblatt v. 5.3.82
berichtet, ,,diese Schwarzhandelspraxis bestätigte auch Prof.
Adalbert Bohle von der Uni - Klinik Tübingen. Die
Sektionsgenehmigung lag ja vor; hätten. wir den Angehörigen von
den Organentnahmen mitgeteilt, hätten fast alle diese
zurückgezogen".
Die Empörung der
Allgemeinheit war bundesweit. Mit Kraftausdrücken wie
Organdiebstahl oder Leichenfledderei ‚ wissenschaftliche
Zuhälterei und Argumente wie etwa "können wir es dulden, daß der
Nachlaß der Toten behutsamer angefaßt wird als diese selbst ?!"
wurde nicht gespart. Die offizielle Pathologenzunft hatte dafür
nur nackten Hohn übrig, siehe z.B. Medical Tribune 16/1982 (12)
oder im Deutschlandfunk (3O.7.82), wo erklärt wurde, die
Geldeinnahmen aus den verhökerten menschlichen Organen seien nur
,,eine Aufwandsentschädigung" für die ganz, ganz schlecht
bezahlten Präparatoren (Sektionsgehilfen)". Ob für die
Hintermänner, die das ganze decken, etwas herausspringt, davon
hörte man nichts.
- Diese Querelen
überließen die Pathologen ihrem ganz überraschend schnell zum
Professor ernannten Pressereferenten, der sich schon 1980 gegen
Minister Helmut Engler bewährt hatte, dessen Sektionsfragebogen
für Patienten an den Kliniken Baden - Württemberg's mit vagen
Argumenten zu Fall gebracht wurde (2).
Sicher bringen
diese Aktivitäten der Pathologie Aufwind, vorwiegend durch höhere
Sektionszahlen. Hunderte von Köpfen braucht man pro Patient, um
aus Gehirnen Verstorbener die nötige Menge Hypophysen (
Hirnanhangdrüsen) für ein Medikament anzusammeln, das Wachstum
fördern soll. "Was für die Sezierer ein Zubrot ist, ist für die
Hersteller ein Bombengeschäft", sagt ein ehemaliger
Pharmareferent. Die Hypophysen gingen dann per Luftfracht in
Kühlschränken nach Stockholm (13). Allerdings haben
Pharmahersteller in USA und Schweden den Vertrieb von
Wachstumshormonen vorerst eingestellt, nachdem drei Patienten an
den Medikamenten gestorben waren (14).
In der
Landtagsdrucksache 9/12943 als Antwort auf eine Anfrage des
Abgeordneten Horst Heinrich bezeichnet Staatssekretär Dr.
Rosenbauer die Entnahme von Organteilen einer Leiche ohne
Einwilligung der Berechtigten als rechtswidrig. Die Drucksache
enthält auch Angaben über Handelspreise, zu denen Organteile von
in Kliniken der Universität Erlangen Verstorbenen an die
Pharmaindustrie abgegeben werde, ein in der Kultur- und
Rechtsgeschichte des deutschen Universitätswesens wohl einmaliger
Vorgang.
- All diese Dinge
spielen sich hinter dem Rücken der Angehörigen ab. Die Stiegler -
Geschwister konnten dies zwar nachdem Tode ihrer Mutter
verhindern, sahen sich aber "durch unverantwortliches Verhalten
genannter Personen als Sektionsverweigerer in dieser
Schreckensstunde immensem seelischen Druck ausgesetzt". (Erlg.-
Nachr. 10.4.82).
Eine konsequente
Fortsetzung und Ausweitung genannter Sektionspraktiken ist die
Entnahme von Organen wie Herz, Lunge, Nieren, Leber, Milz u.s. w.
zum Zwecke der Transplantation. Das neue daran sind statt
verdienter Minibeträge von 10 oder 15 DM für Hirnanhangdrüsen
Riesenumsätze mit Spitzenbeträgen bis zur Nähe von gegenwärtig 200
000 DM etwa für eine Herztransplantation, neben Ruhm und Ansehen
und modernsten millionenschweren Kliniken für die Transplantation.
Wenn dies alles für Organempfänger eine echte Hilfe wäre, dann
würde man trotz mannigfaltiger Bedenken keine Einwände erheben,
wenn die Organspender nicht über die .Risiken ihrer Liebestat
,,Organspende" systematisch im unklaren gelassen würden.
Ein Opfer dieser -
laufend praktizierten - gezielten Desinformation wurde die Familie
Greinert. 1985 verunglückte ihr Sohn mit dem Fahrrad tödlich. Die
Eltern stimmten aus einer " emotionalen Verfassung " der Entnahme
eines Organs zu. Dabei blieb es aber nicht. In der ARD - Sendung
vom 21.1.86 (16) erzählt Frau Greinert: ,,Es zog sich ein Schnitt
von seiner (des Sohnes) Kinnspitze hinunter bis in den Ausschnitt.
Wir haben uns dann sehr betrogen gefühlt und Prof. Pichlmayr
(Leiter der Klinik für Transplantationschirurgie Hannover) hat
dies so begründet: Wenn wir den Angehörigen Auskunft geben über
das, was wir tun, dann bekommen wir bestimmte Organe nie". Die
Mutter erstattete Strafanzeige --- Dies war jedoch nur das
Vorspiel. Die brisante Hauptsache erfahren wir fast ein Jahr
später in der ARD - Sendung "Organspende (17) von Silvia Matthies
- Wille am 2.11.1986, ein Zeitintervall, das Frau Greinert in
anhaltender Empörung nutzte, um den Hintergründen der
Organentnahmen an ihrem Kinde auf die Spur zu kommen. - Hören wir
nun:
Silvia Matthies (an
Frau Greinert)
Hat man Ihnen in
der Klinik erklärt, das dem Christian die Organe nach Eintritt des
Hirntods entnommen werden, hat man Ihnen erklärt, was der Hirntod
eigentlich ist.
Frau Greinert
Nein, das hat man
überhaupt nicht. Ich bin erst selber viel später darauf gekommen,
oder habe erst viel später die Bedeutung des Hirntods erfaßt. Und
wäre mir das zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dann hätte ich
nicht mal ein Organ gespendet.
( Wer diese Sendung
gesehen hat, der wird nie den Ausdruck verzweifelter Klage in
Gesicht und Stimme dieser Mutter vergessen, mit der sie diese
Aussage vortrug, aber auch nicht Prof. Pichlmayr's eisige
Distanz).
Frau Greinert fährt
fort:
Für mich ist es
ganz egal, wenn man mir sagt, mein Kind ist tot, dann nehme ich
an, daß mein Kind gestorben ist, daß also ein Prozeß abgeschlossen
ist. Jetzt habe ich aber erfahren, daß der Hirntod ja eigentlich
nur ein Moment im Sterben des Menschen ist und wäre mir klar
gewesen, daß der Christian ja noch gar nicht zu Ende gestorben
ist, daß man im Grunde genommen durch die Technik das Sterben
verhindert oder das Sterben aufhält, dann wäre es mir ja ganz egal
gewesen, wieviel von dem Christian noch lebendig ist, entscheidend
wäre für mich gewesen, es ist überhaupt noch etwas lebendig --- ".
Die ganze
Grausamkeit des Vorgehens beim Transplantieren wird hier offenbar:
" Die Technik hält das Sterben auf ?". Was heißt das? Das heißt
natürlich nicht, daß es grausam sei, bei Schwerkranken auf
Intensivstationen maschinell Blutkreislauf und Herz in Gang zu
halten zwischenzeitlich, bis der Zustand des Kranken sein
Weiterleben wieder ohne maschinelle Hilfe zuläßt. Auch ist es
nicht grausam, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt die Maschinen
abzuschalten, wenn der Zustand des Kranken Atmung, Blutkreislauf
und Herzschlag aus eigener Kraft nicht mehr ermöglicht. Als dieser
Zeitpunkt wird der ,,Hirntod" gewählt. Das bedeutet, daß das Hirn
in einem Ausmaß geschädigt ist, daß nach medizinischer Erfahrung
ein selbständiges Weiterleben des Menschen ohne Maschinenhilfe
nicht mehr zu erhoffen wäre. Feststellen kann man das durch
gewisse Kennzeichen und Reaktionen am Patienten, unterstützt durch
elektronische Messungen mit mehr oder weniger komplizierten
Apparaturen. Der Zeitpunkt der Hirntodfeststellung und damit der
Abschaltung der künstlichen Lebenserhaltung hängt damit allerdings
vom Ermessen des Arztes und dem Funktionieren seiner
Meßapparaturen ab, also auch von Fehlerrisiken. Ohne die
Einrichtungen der Intensivstation hätte der Patient aber nicht
einmal die Chance zum Überleben gehabt.
Es muß also
festgestellt werden, daß sich hier verantwortungsvoller Gebrauch
der Technik lebensrettend auswirkt und nicht grausam ist. Das kann
Technik aber durch Mißbrauch schnell werden. Wenn nämlich in der
Intensivstation die künstliche Lebenserhaltung abgestellt wird,
beginnt der Prozeß des Sterbens. Er umfaßt alles, was am Menschen
Körperlichkeit ist, natürlich auch jene Hirnteile, die bei der
Hirntod - Feststellung nicht als [?] erkannt werden konnten. Der
Prozeß des Absterbens dauert über Stunden. Er ist beendet, wenn
der ,,sichere Tod" durch körperliche Zeichen wie Totenstarre und
(15) Totenflecke erkennbar ist.
Es ist dies der
Zustand des Menschen, den wir alle meinen, wenn wir von ,,Tod"
sprechen, der ,,Gesamttod", wenn der Mensch zur Leiche geworden
ist. - Man kann sich nun folgendes einfallen lassen. Man schaltet
den Patienten nicht ab, hält seinen Kreislauf weiter künstlich in
Gang, obwohl man ihn als ,,hirntot" erkannt hatte. - Der Ausdruck
,,Hirntod" ist nun zwar recht markant, führt aber in die Irre,
denn mit ,,Tod" des Patienten, wie er eben beschrieben wurde, hat
der Hirntod nichts zu tun. - Unser Patient bleibt also weiter
angeschaltet, Kreislauf und Atmung in Gang gehalten, sein Körper
wird durchblutet samt Organen, er lebt also, auch das Gehirn,
soweit es nicht ausgefallen ist, wenn auch mit technischen
Hilfsmitteln. Aus eigener Kraft kann er nicht mehr leben, da, wie
vorausgesetzt, die Ausfälle im Gehirn umfangmäßig -
,,Hirnausfall"( anstelle von ,,Hirntod") - dies nicht mehr
ermöglichen. So vegetiert unser Patient weiter vor sich hin, den
man nicht natürlich sterben läßt, weil man seine Organe haben
will. Und dieser Zustand des Patienten zwischen Leben und Tod und
nicht - wie behauptet - ,,nach dem Tode", dauert bis zur Stunde
der Organentnahme. Diese erfolgt global und analog wie bei
Sektionen, nur ist diesmal das Objekt nicht eine Leiche ---: Über
den ganzen Rumpf ein Schnitt und Leber, Herz, Milz, Lungen‚
Nieren, alles lebend - frisch entfernt. - Das also ist der Tod der
Spender. Empfänger sollten das nie vergessen, denn auch Spender
sind Menschen !
So hat sich eine
segensreiche Einrichtung wie die Intensivmedizin durch Verfremdung
ihrer Techniken zu einem Trauma gewandelt, dessen grausame Züge
immer deutlicher werden. Kranke, bislang mit Chance zu einem noch
relativ humanen Sterben auf Intensivstation, werden an
Transplantationszentren ausgeliefert, um dort unter schockierenden
Bedingungen verwertet zu werden. Sie wissen nicht, was Ihnen bevor
steht. Alles hängt am "Hirntod", alles drängt nach ihm, der
Patient ist zum Organbehälter degeneriert. Er wird erst
interessant, wenn er ,,hirntot" ist, dann kann man ihn entleeren.
Ein bedrückendes Risiko lastet auf dem ahnungslosen Opfer: Wird
die Hirntoddiagnose stimmen? ,,Sie gelingt mit absoluter Exaktheit
und Sicherheit" heißt es in einem Werbeprospekt der Universität
Erlangen gemeinsam mit dem LIONS Club, unterschrieben von drei
Medizinprofessoren.
Dabei weiß heute
jeder, daß der nicht für voll genommen wird, der Menschen und
Elektronik für absolut sicher hält. So werden Menschen willfährig
gemacht, den Hirn- ,,Tod", vom Klang schon her besonders geeignet,
verkauft man ihnen als den Gesamttod des Menschen, Spender seien
beim Organentnehmen ohnedies Leichen Von solchen
Begriffsumfälschungen lebt heute die ganze Organverpflanzung,
gaukelt den Menschen einen ,,künstlichen" Tod für den wahren vor !
- Ärzte wissen das und spenden nicht.
Was aber, wenn auch
die Hirn- ,,Tod"- Diagnose nicht stimmt ?! Auf der Intensivstation
kein existentielles Risiko für den Patienten, wie schon erläutert,
bei Organentnahme aber eine latente Gefahr ! Schon 1981 erschien
in der gesamten bundesdeutschen Presse vom 13. Januar eine
Erklärung des Augsburger Politologen Hans Henning Atrott, ---
heute werde in Kliniken ,,gezielt getötet", wenn Organe entnommen
werden sollen ---. Was aber dann, wer weiß warum, wenn auch der
Hirn- ,,Tod" nicht sauber diagnostiziert war ?! Die
Verpflanzungsmedizin steht darüber, schweigt, nimmt alles
billigend inkauf. Natürlich, Organe sollen gespendet werden, aber
freiwillig, wenn es funktionieren soll, und nicht erschlichen oder
- wie neuerdings - erzwungen !
Rechtswege,
Selbsthilfe, Abhilfe
Mit Drucksache
395/78 (10.11.1978) verlangte der Deutsche Bundesrat von der
Regierung einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit unzulässiger
Sektion. - Ein Monat später erklärten Pathologensprecher, sie
würden u.a. ,,lieber auf von Krankenhaus zu Krankenhaus
unterschiedlichen Rechtsgrundlagen weiterarbeiten" (2O). - Der
Pathologe Sandritter erklärte in (11), ,,jeden Tag werden uns /bei
Sektionen die sogenannten (!) Erfolge einer invasiven
Ingenieurmedizin vor Augen geführt --- und sehen uns damit dem
Jariuskopf (Doppelgesichtigkeit) der Medizin gegenüber --- unser
Kongreß wird die brennende Frage, ob die Medizin darf, was sie
kann, nicht beantworten --- Kollegenschutzgründe halten - aber die
Herren davon ab, die aus eigener Anschauung gewonnenen
Erkenntnisse über von der modernen Medizin angerichteten Schaden
der Öffentlichkeit zu berichten, von der sie bezahlt werden. - Ein
kommendes Sektionsstrafrecht muß Pathologen vergattern, bei
Sektionen erkannte Behandlungsfehler, ob strafbar oder
schadenersatzpflichtig, per Gesetz zu melden. Bis dahin gilt aber
immer noch die Straflosigkeit (per Strafrecht) klinischer
Sektionen ohne Einwilligung des Verstorbenen oder der
Hinterbliebenen, auch wenn u.U. der gesamte Leichnam wegen
,,wissenschaftlicher" - Auswertung verschwindet ! - Wer nicht
seziert werden will, muß dies unbedingt im Krankenhaus selbst -
oder über Beauftragte dokumentieren und zwecks Nachdruck eine ev.
Hinterlegung dieser Verfügung bei Anwalt, Notar, Gericht u.s.w.
bekanntmachen. Viele Krankenhäuser berücksichtigen solche
Verfügungen noch, die Universität München z.B. aber nicht.
Hier könnte eine
rechtzeitige gerichtliche ,,einstweilige Verfügung" mit Hilfe
eines erfahrenen Anwalts weiterhelfen.
Wenn man im
Leichenschauhaus nach Sargöffnung die verbotswidrige Verstümmelung
des Verstorbenen erkennen muß, soll sofort Strafanzeige erstattet
werden und notfalls weitergeführt über alle Ebenen der
Staatsanwaltschaft bis zum Klageerzwingungsverfahren beim
Oberlandesgericht. Erst ab hier braucht man einen Anwalt. Als
Klagegründe kommen in Frage ,,Störung der Totenruhe,
Leichenschändung, Körperverletzung (wegen des schweren seelischen
Schocks am Sarge) u.s.w. - Ein Mitarbeiter unseres Verbandes hatte
am OLG München einen Teilerfolg erzielt: Das OLG erklärte die
Sektion für ,,rechtswidrig". Dieser Beschluß ist veröffentlicht in
,,Neue Juristische Wochenschrift' 39/1976 S.1805. Damit werden
disziplinarrechtliche Vorgehensweisen gegen die Pathologen
möglich, die ja Beamte sind. Dieser Beschluß läßt aber auch Wege
erkennen, wie man evtl. doch strafrechtlich über das Delikt
,,Störung der Totenruhe" zum Erfolg kommt, nämlich wenn Teile des
Verstorbenen statt ,, wissenschaftlich" kommerziell weggegeben
werden ! - Schließlich bleibt dann noch der Weg zum
Bundesverfassungsgericht (BVG); (Regeln beachten hierfür).
Wenn die Justiz
durch Häufung der Verfahren die Empörung der Öffentlichkeit
unabweisbar spürt, ergibt sich eine erhöhte Notwendigkeit für ein
Sektionsstrafrecht In ähnlichen Fällen haben Angehörige im Ansturm
ihrer Empörung die Zerschneidung ihrer verstorbenen Lieben durch
persönliches Erscheinen in den Sektionsräumen von Pathologien
verhindern sich auf äußersten rechtfertigenden Gewissensnotstand
berufen können, § 34 StGB.
Eine weitere
Abhilfe ist - wenn möglich - die Meidung von
Sektionskrankenhäusern oder kranke Angehörige - aus solchen wieder
rechtzeitig nach Hause zu schaffen oder zu verlegen.
Sie können auch
eine innere Leichenschau nur unter von ihnen vorgegebenen
Durchführungsbedingungen mit Überwachungsrecht gestatten.
Für eine
gerichtlich angeordnete Leichenschau gelten diese
Verhaltensangaben nicht, es sei denn, der Pathologe oder Arzt
bedroht sie bei Sektionsverweigerung mit der ev. Eintragung
,,unnatürlicher Tod" als Sterbeursache auf dem Totenschein. (6).
Hier müssen sie unverzüglich wegen ,,Bedrohung" Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft erstatten, um dem gegen sie gerichteten
Hinterhalt zuvorzukommen, wenn die angedrohte Eintragung
offensichtlich unredlich ist. Am besten nehmen sie einen Zeugen
mit.
Ohne totale Sektion
können Organe der Leiche wie die Hirnhaut (Dura),
Gehörknöchelchen, Augenhornhaut, ev. auch Hypophyse u.s.w.
entnommen werden, auf Wunsch unter Aufsicht der
Spenderbeauftragten. Daß in den Pathologien nunmehr aber mit
Leichenteilen Geld gemacht wird, vergiftet die Spendebereitschaft
zum Nachteil von Kranken, für welche diese Organe von hohem Nutzen
sind [sein können].
Für Herz, Lunge,
Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse allerdings kann man keine
Leichen brauchen, also den Zustand, wie wir wissen, wenn man nach
vermutetem Hirn- ,,Tod" die Lebenserhaltung abstellt und den
Menschen sterben läßt. Leichen sind kalt, Organe aber braucht man
frisch, sonst wachsen sie in einem fremden Körper nicht an !
Um dies zu
erreichen, benützt die Organentnahme Methoden und Erkenntnisse der
Intensivmedizin, aber nicht als Kriterium zur Einleitung des
Sterbens, wenn der Tod des Kranken als unvermeidbar erkannt wird,
sondern umgekehrt als eine Art Frischhaltemaschinerie für seine
Organe zwecks deren späterer Entnahme. Diese erfolgt dann
gründlich und natürlich lebendfrisch. Wie der Patient sich dabei
befindet, interessiert niemand, der gilt ja als Leiche.
Dieser
abenteuerliche Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des
Patienten an der Grenze zwischen Leben und Tod ist ein Akt
vermessener Eigenmacht, der strafrechtlich noch zu würdigen ist,
insbesondere, wenn der Patient mit solcher Behandlung nicht
einverstanden war. Der Eingriff folgt, heißt es, dem Stand der
Wissenschaft, sprich ,,der zur Zeit modernen Meinung der
Schulmedizin" (Hackethal).
Das ist die ganze
Legitimation (32).
Nun wird man
fragen, wieso werden unter solchen Umständen überhaupt noch
Spenderausweise unterschrieben ? Es ist Ahnungslosigkeit; Niemand
weiß, was hinter den Mauern der Verpflanzungszentren wirklich
passiert. Man weiß nur, daß nirgendwo so unkontrollierbar
vertuscht, gelogen wird, wie in der Medizin, und wie denn dann
erst im Umkreis von Sterbenden, mit denen man besonders leichtes
Spiel hat, ab und zu sickert dann etwas durch, - über eine
schlimme Sache, die herauskam, wird noch die Rede sein.
Die Spender
unterschreiben, weil ihnen gesagt wird, daß sie ,,tot" seien, also
eine Leiche, wie sie meinen. Auf diesem Glauben läßt man sie.
Warum sollte man da nicht Organe spenden ?! Wir aber wissen, daß
ein Organ entnommen wird bei Hirn- ,,Tod", also bei
,,Feststellung" einzig des Ausfalls wesentlicher Teile des
Gehirns, alles andere wird lebendig gehalten, da ist man keine
Leiche, darf keine sein, sonst funktioniert die Transplantation
nicht. Dies wird dem Spender unterschlagen. Die Organentnahme
erfolgt erst nach ihrem ,,Tode" - garantieren die Werbeschriften,
und "der Hirntod ist der Tod des Menschen" (22), also bin ich bei
,,Hirntod" eine Leiche, interpretiert der Spender, da spüre ich
sowieso nichts mehr. Man muß sich diese raffinierte Umfälschung
richtig auf der Zunge zergehen lassen, dann begreift man, warum
Spender so gutwillig unterschreiben. - Mit diesem Hirntodbluff
aber funktioniert das Ganze. Dabei ist der Bluff selber nicht mal
sauber. Der sogenannte Hirn- ,,Tod" ist kompliziert definiert.
Aufwendigster Technik und Elektronik und Verfahren bedarf es, um
der Theorie entsprechend den Hirntod zu messen. Aber hochkomplexe
Meßtechnik liefert gelegentlich auch falsche Ergebnisse, ohne daß
der Mensch es merkt. Das Risiko hierfür ist sogar berechenbar. In
der Organspendewerbung verschweigt man sogar das (21) oder geht so
weit, wie z.B. an der Universität Erlangen, von absoluter
Exaktheit und Sicherheit (1), also Nullrisiko, zu sprechen, von
Fehlern durch das Meßpersonal ganz zu schweigen. Und in der
Fachpresse ist man sich nach wie vor uneinig über die Methoden und
die Risiken ! (18)
So wiegt man die
Öffentlichkeit über die heile Welt des Transplantierens in
Sicherheit, erreicht, daß Spender willig werden, die
Staatsanwaltschaften still halten und die Kirchen Lob aussprechen
(19). — 1982 übrigens hat man sich ,,Erleichterungen" für die
Hirntodfeststellung genehmigt (Bundesärztekammer) (22). Damit geht
es schneller: Hubschrauber und ,,rote Mercedes" mit Hirntod - und
Organentnahmeteams können nun von Transplantierzentren
ausschwärmen in Provinzkrankenhäuser und Organe einsammeln.
,,Flächendeckendes Netz" heißt das (7) Hirntod - Meßgeräte dürfen
entfallen. Wer das alles weiß, und trotzdem spenden will, der kann
es tun. Es geht aber auch anders: Knüpfen sie ihre Zustimmung zur
Organentnahme an die strikte Einhaltung der Bedingung, daß die
Entnahme bis in's Detail exakt nach denselben Operationsmethoden
erfolgt, wie die Organentnahme von einem Lebenden zugunsten eines
nahen Verwandten. Gleichzeitig muß ihnen das Recht zugestanden
werden, durch ihre Angehörigen, Freunde oder Bekannten zusammen
mit Fachleuten deren Vertrauens die fachgerechte Durchführung der
Operation und Narkose unmittelbar zu überwachen.
Oder:
Knüpfen sie ihre
Zustimmung zur Organentnahme an die strikte Einhaltung der
Bedingung, daß die Entnahme nur erfolgen darf, wenn eine für
jedermann erkennbare vollständige mechanische Zerstörung der
gesamten Urhirnsubstanz zur formlosen Nasse vorliegt. Die Entnahme
darf erst erfolgen, wenn Angehörige, Freunde oder Bekannte
zusammen mit Fachleuten ihres Vertrauens die geschilderte Art der
Zerstörung bestätigen (schriftlich).
Nieren sind zur
Zeit heiße Mangelware. Aber wäre nicht Aufklärung, wie man sich
dieses Organ gesund erhalten kann, auf Dauer besser, wie Dr.
Hanisch (23) meint ? Die Medizin löst dieses Problem auf ihre Art.
Mit Barnard fing es an, jetzt droht ein Flächenbrand.
Transplantieren ist ein hartes Geschäft mit dem Mitgefühl. Das
Geschäft macht die Medizin (7), der Empfänger" ist das Objekt, das
Mitgefühl aber
kommt vom Spender.
Dafür ist er gesetzlich auch nicht geschützt. Ein Gesetzentwurf zu
seinem Schutze (24) liegt zwar vor, wurde von der
Bundesärztekammer aber am 11.1.1980 gestoppt. Die ,,Bemühungen"
eines "Arbeitskreises Organspende" Neu-Isenburg seien abzuwarten
(25).
Die Quittung dafür
und die Ergebnisse liegen jetzt vor, wobei Schein und Wirklichkeit
bis in Holocaustnähe auseinanderklaffen. ,,Es darf nur mit
Organspendeausweis explantiert werden, vernichtet man ihn wieder,
bleibt man verschont Man kann das Spendeorgan sogar vorschreiben"
! All diese Rechte und noch andere garantiert die
Organspendezentrale in Neu-Isenburg (21). - Wie aber sieht der
Alltag aus?
Weil
Provinzkrankenhäuser nur zögernd transplantierbare Organe - sprich
Menschen - an die Verpflanzungszentren melden (26), verlegt man
gleich organtaugliche ganze Patienten dorthin, ,,potentielle"
Organspender genannt. Dies aber nicht, um dort weiter um ihr Leben
zu kämpfen, sondern um sie auf die Organentnahmen vorzubereiten,
lange schon vor dem Hirn- ,,Tod"; dabei kommt es vor, daß
Medikamente eingesetzt werden, die bereits auf eine Organspende
abgestellt sind (17), z.B. ,,Antibiotika für potentielle
Nierenspender", Therapie für Entnahme statt für Gesundung ! Auch
wenn man die Patienten als hoffnungslose Fälle ansieht, ist ein
Vorgehen dieser Art in Richtung auf ein geplantes Ende auf dem
Organentnahmetisch menschlich, medizinisch und juristisch
unannehmbar. - Dieses Berliner Beispiel von 1984 zur Nachahmung
regte Prof. Siewert vom Münchner Universitätsklinikum Rechts der
Isar an in einem Schreiben an die Bayerischen Landkreise. Er
spricht darin bereits von potentiellen Multiorganspendern (30) !-
Des weiteren wurde
in Berlin eine ,,Dienstanweisung" bekannt (17) eines
Verpflanzungszentrums (Steglitz:), worin es heißt: Punkt eins,
schon bei Verdacht auf Hirntod. - gleichzeitig Information der
Transplantationsgruppe ! Dann erst, unter ferner liefen,
Aufklärung und Befragung der Angehörigen. Sind sie nicht
einverstanden, kann §34 StGB, rechtfertigender Notstand für eine
Organentnahme, ohne Zustimmung in Anspruch genommen werden (17).
Dies ist Organspendezwang indirekt !
Geheimgehaltene
Organentnahmen also -, auch das hat sich seit langem
eingeschlichen. Das geht so: Man nimmt zuerst die Organe für die
Verpflanzungen heraus, heimlich, mit all den Problemen und Risiken
für den hier aber unfreiwilligen Spender. Dann richtet man die
Leiche so her, als ob nur eine Sektion stattgefunden hätte, [...]
und niemand merkt etwas.
Ingrid Zekorn aber
merkte doch etwas, die Familie hatte nämlich die Sektion untersagt
! Als Frau Zekorn am Friedhof das Leichentuch zurückschlug, merkte
sie mit Entsetzen den Betrug. Sie bohrte nach und erfuhr von der
verbotenen Herzexplantation. Es gab Strafanzeigen gegen die Chefs
von Klinik und Pathologie der Univ. Düsseldorf. Ihr im Februar
1983 verstorbener Bruder bat sie kurz vorher inständig, die Ärzte
beim Sterben von ihm fernzuhalten (27,28). -
Ende August 1986
erlitt der Inder Sikh Jhalman Singh vom Asylantenheim Passau bei
einem Unfall schwerste Verletzungen. auf Veranlassung von Prof. N.
Fischer wurde am Opfer zwei Stunden nach dem klinischen Tod ohne
jede Zustimmung eine Multiorganentnahme für Transplantationszwecke
vorgenommen. Nach Angaben der Klinik habe die Staatsanwaltschaft
,,wegen dringenden Organbedarfs" keine Einwände gehabt. Diese wies
die Unterstellung einer Erlaubniserteilung als falsch zurück
(Presse 2.9.86). ,,Bei einem Deutschen hätten wir genau so
gehandelt", erklärte der Chef der Chirurgie (17). -
Mutter Greinert
hatte im März 85 für ihren Christian der Entnahme nur eines Organs
zugestimmt. Insgeheim wurde daraus eine Muliorganentnahme. Prof.
Pichlmayr's Erklärung dazu kennen wir ja schon. Auch hier gab es
eine Strafanzeige. (17).
Multiorganentnahmen
(auf gut deutsch ,,Totalausschlachtungen") werden stillschweigend
an vielen deutschen Kliniken praktiziert (17).- "Sie können ,,nur
bestimmte" Organe für die Entnahmezustimmung aussondern",
versprach die Neu-Isenburger Zentrale. Wie vereinbart sich das mit
der Praxis?
Die Neu-Isenburger
Garantien haben sich samt den Spendeausweis - Zusagen als
Seifenblasen entpuppt, ihre Mißachtung hat die Zentrale vor der
Öffentlichkeit nicht einmal angeprangert. Dieser Garantiebruch
richtet sich auch gegen den Staat. Nie hätte der Rechtsausschuß
des Deutschen Bundestages am 11.1.1980 auf Empfehlung der
Bundesärztekammer den Stopp des Spenderschutzgesetzes befürwortet
ohne Vertrauen in Verheißungen, man wolle den Spenderschutzzweck
des Gesetzes einstweilen stellvertretend auf dem Wege über
Selbstkontrolle verwirklichen ---
Inzwischen formiert
sich das Unbehagen der Öffentlichkeit über die Mißstände. Die
Medien interessieren sich zunehmend auch für Spender und was ihnen
zugemutet wird. Es wird erkannt, daß § 34 StGB - rechtfertigender
Notstand - zur Umgehung der Organspendeeinwilligung mißbraucht
wird, um bei verbotenen Organentnahmen (Raubchirurgie) den
Anschein von Legalität vorzuspiegeln. Juristen wie C. Roxin (29)
oder der ehemalige Verfassungsrichter W. Geiger weisen eindeutig
und sogar ,,entsetzt" (17) darauf hin, daß alle entnommenen Organe
zunächst an auswärtige Zentralen zur Einlagerung gehen, somit die
vom Gesetz vorgeschriebene ,,Unmittelbarkeit" des rechtfertigenden
Notstandes §34 ( jeder kann das nachlesen) gar nicht vorliegen
kann, §34 rechtlich hier also gar nicht anwendbar ist.- Aber auch
die Krankenkassen regen sich: So reagierte Hans Sitzmann,.
Direktor der bayerischen Ortskrankenkassen (AOK) mit Empörung
darauf, daß Menschen, die in kleinen Krankenhäusern auf der
Intensivstation liegen und deren Tod zu erwarten sei, in
Universitätskliniken verlegt werden sollten, um dort sofort nach
ihrem Tod " ausgenommen " zu werden" (wie Prof. Siewert anregt). "
Die Organspendebereitschaft in der Öffentlichkeit werde dadurch
arg in Mitleidenschaft gezogen.
Schlußfolgerungen
Jeder operative
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist ohne Genehmigung
des Patienten Körperverletzung. Deshalb besteht Aufklärungspflicht
- wahrheitsgemäß - über die Art der Eingriffe und die Risikohöhe.
Der Patient kann dann die Gefahren gegen den für sich selbst
erwartbaren Nutzen des Operationswagnisses abwägen.
Der Organspender
muß dagegen den für einen - ihm unbekannten - Organempfänger
erwartbaren Nutzen gegen die Gefahren für sich selbst abwägen.
Unvergleichbar höher ist deshalb sein Recht, die volle Wahrheit
über alle Umstände der Organentnahme zu erfahren. Nichts darf
verschleiert werden. Er allein entscheidet, ohne Bevormundung
durch Fremdinteresse, ob Umstände wie die Tatsache, daß er bei der
Lebendorganentnahme keine Leiche sein kann oder daß die
Hirntodanalyse nicht ,,absolut sicher" sein kann, für ihn ein
Kriterium für oder gegen diese Art von Organspende sein können. -
Dies gilt auch gegenüber Angehörigen.
Niemand darf zum
Nutzen anderer gezwungen werden, weder mit List noch Gewalt, die
unbekannten, kaum abwägbaren Risiken im Grenzbereich zwischen
Leben und Tod bei einer Lebendorganentnahme gegen seinen Willen zu
ertragen. Spenderrecht geht vor Organentnahme.
In den angeführten
Beispielen wurde dagegen verstoßen. Die Schuldigen hätten nach den
Strafbestimmungen des Entwurfs zum Bundes - Transplantationsgesetz
mit Geld- oder Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren rechnen müssen.
Ihre Berufsorganisation hat sie einstweilen davor bewahrt. - Wir
aber müssen uns selbst helfen‚ jeder kann betroffen sein. Analoge
Anwendung der zu ,,Rechtswege bei Sektionen" gegebenen Hinweise
empfiehlt sich für's erste auch hier. Allerdings dürfte dabei
neben rechtfertigendem Notstand auch Notwehr als
Rechtfertigungsgrund gegebenenfalls nicht mehr auszuschließen
sein.
Quellen - Angabe
(für Referat ,,Ärztewillkür ---)
(1) Rechtliche
Regelung der Sektion. Dt. Ärztebl.23/1980
(2) N. Stolte: Umstritten aber notwendig. FAZ. 70/1980
(3) G. Pließ: Ärztl. Verschwiegenheit --- Ärztl. Praxis 95/1976
(4) J. Kracht: Qualitätssicherung in Pathol.- Zentr. Path. Uni.
Gießen 78(?)
(5) G. Dotzauer: Mors in tabula. Prakt. Anästhesie 13/1978
(6) Pathologie in der Krise. Med. Tribune 4/1980
(7) Ärztefehler. Fischer Taschenbuch Nr. 4263 (1985)
(8) BILD, Hamburg, 5.3.1982
(9) Juristenzeitung JZ 1971 S. 56 ff.
(10) Es wird kaum noch seziert. Path. Anat. Koll. 78. Dt.
Ärztebl.1/1979
(11) W. Sandrittor:
Das Selbstverständnis d. Path. 62. Tagg. Dt.Ges. Path.
(12) M.S. : Presserummel um Pathologie. Medical Tribune 16/1982
(13) Experimente und Handel mit Leichenteilen Spiegel 14/1985
(14) Zwergwuchs: Tod aus der Spritze ? Spiegel 19/1985
(15) W. Spann: ADAC - Motorwelt 7/77
(16) Organentnahme bei Jedermann. ARD—Report 21.1.86 (S. Matthies)
(17) S. Matthies: Organspende. - ARD - Bilder der Wissenschaft
2.11.86
(18) Kriterien des Hirntodes. Dt. Ärztebl. 16/1987
(19) F. Zastrow u.a. : Vorauss. u. Vorgehen bei Nierensp:.Dt.Ärztebl.39/8O
(20) Pathologen beklagen Rückgang der Autopsien. Der Arzt 12/78
(21) Antworten auf
Fragen. Arbeitskreis Organspende - Neu-Isenburg Dez.84
(22) H. Krautkrämer: Kriterien des Hirntods. Umschau 12/1982
(23) W. Hanisch: Die Nieren sind in Gefahr. Erlanger Nachr.
16.1.1987
(24). Deutscher Bundesrat Drucksache 395/78 (29.9.1978)
(25) Deutscher Bundestag Drucksache 9/828 (18.9.81) : FDP- Anfr.
MdB Schmidt
(26) Krankenhäuser sollen Organe melden. Erlanger Nachr. 7.5.1985
(27) Streit um menschliche Ersatzteile Quick 52/1984
(28) Die Toten finden keine Ruhe. BILD München - Serie
(11.11.1985)
(29) U. Roxin: Organtrapla. in rechtl. Sicht. Kathol. Akademie
3/4(1977)
(30) Zum Sterben in die Uni ? Erlanger Nachr. 26.11.1986
(31) Klinikskandal
in München. Neue Revue 35/22.8.1986
(32) Anhörung Transpl.- Gesetz Dt. Bundestag, Rechtsausschuß Prot.
76 (24.9.1979)
SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Über Leichen
Wie
menschliche Überreste gewonnen und verwertet werden
Autorin: Martina Keller
Redaktion: Detlef
Clas
Regie: Iiris
Arnold
Sendung: Montag,
22. September 2008, 8.30 Uhr, SWR 2
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Besetzung:
Sprecherin
Übersetzerin
O-Ton Ingra Kovalevska:
Übersetzerin:
Am 19. Juni gegen 16 Uhr nachmittags
kam ich zusammen mit meinem Sohn in unsere Wohnung ...
(Atmo Küche)
Sprecherin:
Inara Kovalevska ist Lehrerin in
Riga, der Hauptstadt Lettlands.
O-Ton Inara Kovalevska:
Übersetzerin:
Als wir beide, mein Sohn und ich, das
Wohnzimmer betraten, waren wir völlig schockiert. Mein Mann hatte
immer gesagt, dass er nicht weiterleben wolle, aber er hatte auch
immer gesagt, ich kann es nicht tun, ich habe nicht genug Kraft dazu.
Sprecherin:
Als Inara Kovalevska an jenem
Sommertag 2002 ihre Wohnung betrat, hatte sich ihr Mann Gunars
erhängt. Inara schrie um Hilfe und versuchte ihren damals
sechsjährigen Sohn aus dem Zimmer zu drängen. Sie wollte ihm den
Anblick des am Strick hängenden Vaters ersparen. Doch keiner der
Nachbarn kam, Inara war auf sich gestellt. So schnitt sie ihren Mann
mit einem Küchenmesser selber vom Seil und fing ihn in ihren Armen
auf.
O-Ton Inara Kovalevska:
Übersetzerin:
Ich habe ihn massiert, ich habe ihn
geschlagen, ich habe geweint, geschrieen, gebetet, ich habe alles
gemacht, um ihn ins Leben zurückzurufen, ich dachte er kann noch
leben.
Sprecherin:
Doch weder Inara noch der
herbeigerufene Notarzt konnten Gunars retten. Der 41-Jährige litt
unter Depressionen, schon zehn Jahre zuvor hatte er erstmals versucht
sich das Leben zu nehmen. Wie bei Selbsttötungen üblich, wurde Gunars’
Leichnam in das rechtsmedizinische Zentrum von Riga gebracht; durch
eine Autopsie sollte ausgeschlossen werden, dass er durch fremde Hand
getötet wurde. Inara ging am Tag nach dem Tod ihres Mannes dorthin.
Sie fragte einen Mitarbeiter, ob es möglich wäre, Gunars’ Mutter einen
Wunsch zu erfüllen. Die alte Frau wollte ihrem Sohn einen letzten
Liebesdienst erweisen, ihn nach katholischem Brauch in Lettland
waschen und festlich einkleiden.
O-Ton Inara Kovalevska:
Übersetzerin:
Und dann sagte er, die Mutter weiß nicht, wonach sie fragt, die Leiche
sieht ziemlich schlimm aus, und den Anblick könnte sie nicht ertragen.
Sprecherin:
Damals ahnte Inara
nicht, welche Wahrheit in diesen Worten steckte. Die Familie sah den
Verstorbenen erst am Tag des Begräbnisses wieder, vom Bestatter
angekleidet und aufgebahrt im offenen Sarg, der tote Körper scheinbar
unversehrt.
Ein Jahr später
erhielt Inara eine Vorladung der lettischen Sicherheitspolizei. Eine
Beamtin teilte ihr mit, dass der Leiche ihres Mannes Gewebe entnommen
worden sei, vor allem Knochen, Knorpel und Sehnen. Insgesamt ermittele
die Polizei in 400 Fällen. Und noch etwas erfuhr Inara Kovalevska: Die
Körperteile der lettischen Toten waren nach Deutschland geliefert
worden.
O-Ton
Inara Kovalevska:
Übersetzerin:
Dieser Mensch, der
war doch eine Persönlichkeit, diese Hände, die haben doch jemanden
gestreichelt und diese Persönlichkeit war jemandem sehr lieb.
Und als Katholikin glaube ich fest an die
Auferstehung.
Sprecherin:
Inara ist seit dieser Nachricht in
psychotherapeutischer Behandlung.
O-Ton Inara Kovalevska
Übersetzerin:
Ein Mensch, der hat doch eine
gewisse Würde und ich glaube, es ist einfach unmenschlich, ihn nach
seinem Tod zu einem Gut oder einer Ware zu machen. Ich kann diesen
Gedanken nicht annehmen, dass Teile eines Menschen nach Deutschland
geliefert werden, und dort wird sortiert, was brauchbar ist und was
nicht brauchbar ist, und die unbrauchbaren Teile werden einfach zu
Müll.
Ansage:
Über Leichen. Wie
menschliche Überreste gewonnen und verwertet werden. Eine Sendung von
Martina Keller.
O-Ton Karl Koschatzky:
Es gibt die alte Firma Pfrimmer, die im Wundversorgungsgebiet tätig
war seit dem Jahr 1919, als Nahtmaterialhersteller. Aus der Firma
heraus sind wir entstanden, ausgegliedert worden über verschiedene
Vorläuferfirmen und haben uns im Verlauf dieses Prozesses in über 30
Jahren spezialisiert auf die Herstellung von Transplantaten, aber auch
Implantaten aus humaner oder aus tierischer Herkunft.
Sprecherin:
Alltagsgeschäft
der Tutogen Medical GmbH in Neunkirchen bei Erlangen. Neun Jahre lang,
von 1994 bis 2003, lieferte das rechtsmedizinische Zentrum in Riga der
Firma und ihrer Vorgängerin Biodynamics International menschliche
Rohstoffe. Tutogen braucht sie für seine Knochenproduktion. Die Firma
beschäftigt 140 Mitarbeiter, vorwiegend Näherinnen, Mechaniker und
Dreher – und sie expandiert.
Karl Koschatzky
ist Geschäftsführer von Tutogen Medical. Schon seit einem
Vierteljahrhundert ist er bei der fränkischen Firma und ihren
Vorgängern beschäftigt.
O-Ton Karl Koschatzky:
Am menschlichen Körper gibt es im Prinzip zwei Typen von Knochen, das
ist der Schwammknochen, Spongiosa, oder es gibt den kompakten Knochen,
wie er ... im Oberschenkelschaft vorkommt. Daraus können Sie
verschiedene Gewebeformen, -zubereitungen machen, zum Beispiel als
klein gemahlenes Füllmaterial oder als Formkörper bestimmter
Abmessung, zur Stütze einer Wirbelsäule oder zur Heilung einer Fraktur
oder auch zum Auffüllen einer Kieferwand und ähnliches ... Es gibt
eine Unzahl von Anwendungsmöglichkeiten ... und das haben wir ungefähr
zwischen 200 bis 400 verschiedene Artikel in Anführungszeichen auf
Lager.
Sprecherin:
Tutogen liefert
seine Transplantate von Deutschland aus in rund 40 Länder.
Atmo Klackern
O-Ton Karl Koschatzky:
Das sind einfach so Möglichkeiten, die wir haben …
Sprecherin:
Koschatzky geht
ins Nebenzimmer und holt einen Kasten mit Produktmustern.
O-Ton Karl Koschatzky:
Das zum Beispiel ist ne Kniescheibe, die ist bereits prozessiert, und
aus der kann man dann so Dübel oder Blöcke machen, die man in der
Wirbelsäule einsetzt. ... und dann können sie natürlich langsam
anfangen, etwas kompliziertere Teile zu machen, so was zum Beispiel,
das ist also ein hufeisenförmiges Implantat für die Wirbelsäule, das
man von vorne durch den Bauch in die Wirbelsäule reintut, ...
Sprecherin:
Elfenbeinfarben,
glatt oder porös liegen die zurechtgefrästen Teile aus menschlichem
Knochen in dem Kasten. Die Leiche ist zu einem begehrten Rohstoff
geworden. Längst hat die sogenannte Gewebespende die
Organtransplantation an Bedeutung überholt. Nur rund 4500 Patienten
erhalten in Deutschland jährlich ein neues Organ, doch mehrere
Zehntausend profitieren von der Verpflanzung kleiner oder großer
Einzelteile. Fast alles von einer Leiche lässt sich verwerten, so auch
die Knochen, Knorpel und Sehnen.
O-Ton Karl Koschatzky:
Das ist mit ner CNC-Maschine hergestellt und kann man da oben zervikal
einsetzen an der Halswirbelsäule. Das sind Schrauben, Knochen Pins,
... alles aus Knochen. .... Das ist ein Dübel, den man im Prinzip
einsetzen kann in der Wirbelsäule, durch einfache Bohrungen reinsetzen
kann.
(Atmo Klackern)
Sprecherin:
Die
Gewebetransplantation ist ein lukratives Geschäft. In den USA summiert
sich der Erlös aller Körperteile aus einer einzigen Leiche auf 230.000
Dollar und mehr. In Deutschland organisieren neben kommerziellen
Unternehmen wie Tutogen Medical vorwiegend gemeinnützige Einrichtungen
die Gewebespende, doch das heißt nicht, dass Gewinnstreben
ausgeschlossen sein muss.
Neben den
Herstellern verdienen auch die Weiterverkäufer. So offeriert die
Medpex Versandapotheke im Internet Tutoplast Fascia lata – so heißen
die aus der Muskelhaut des Oberschenkels gefertigten Transplantate der
Tutogen Medical GmbH. Ein Streifen von zwei mal 30 Zentimeter Länge
kostet 967,18 Euro – da hat auch die Versandapotheke gut verdient.
Doch ohne Rohstoffe kein Geschäft. Tutogen Medical verarbeitet
jährlich die Körperteile von 500 bis 1000 Spendern. Frage an Karl
Koschatzky: Woher stammen diese Gewebe?
O-Ton Karl Koschatzky, Martina Keller:
Hm, also ich geb eigentlich keine
Auskünfte über Rohmaterialien, Sie werden vermutlich auch von der
Firma Bayer keine Auskünfte bekommen, wo sie ihr Aspirin kauft.
Keller: Sie haben auch aus Lettland Gewebematerial bezogen, können Sie
vielleicht mal erklären, wie es zu der Zusammenarbeit kam?
Koschatzky: Es gibt Kongresse der
Rechtsmedizin. Man trifft sich und man spricht dort, und da haben wir
halt einen Kontakt gehabt, ... und haben halt eine Zusammenarbeit
irgendwann einmal begonnen ...
Keller: In Lettland gab es ...
Koschatzky: Ich gebe keine Auskunft mehr über Lettland, weil, das sehe
ich nicht ein
Keller: Das ist aber eine wichtige Frage.
Koschatzky: Ich wüsste nicht warum.
Keller: Ich hab aber einen konkreten Fall, ich hab dort zwei
Angehörige von Verstorbenen gesprochen, und eine dieser ...
Koschatzky: Ich denke, wir beenden das jetzt, das zielt auf was ganz
andres, als was sie ursprünglich hier waren ... ich bin kein
Ethikspezialist. Punkt aus.
Sprecherin:
Die
Gewebetransplantation ist ein aufstrebender Medizinsektor, die Zahl
der Anwendungen kaum noch überschaubar: Hornhäute können Patienten das
Augenlicht bewahren, Herzklappen sind bei schweren Entzündungen der
Herzinnenhaut mitunter lebensrettend. Knochenblöcke oder -pasten
werden verwendet, um Defekte im Skelett aufzufüllen, beispielsweise an
der Wirbelsäule. Manchmal wird auch ein kompletter Knochen im Stück
verpflanzt, um nach einem Unfall eine Amputation zu verhindern.
Leichenhaut kann als vorläufiger Wundverband bei schweren
Brandverletzungen vor Flüssigkeitsverlust und Infektionen schützen.
Nicht alle Anwendungen dienen jedoch ausschließlich medizinischen
Zwecken. Die Entscheidung zwischen Gebiss und Implantat ist zumindest
teilweise auch eine kosmetische Frage. Bei vielen Patienten, die
Implantate gesetzt bekommen, wird zunächst der Kieferknochen aufgebaut
– zum Beispiel mit Leichenknochen.
Seit August 2007
gibt es ein Gesetz, das den Sektor Gewebemedizin neu ordnen soll. Am
rechtsmedizinischen Institut der Hamburger Universitätsklinik hat man
sich frühzeitig auf die Lage eingestellt.
O-Ton Christian Braun:
Wir haben sie schon etwas vorbereitet, haben den Tisch gesäubert,
haben die Verstorbene auf den Tisch gelegt, haben dann mit
verschiedener Art und Weise desinfiziert, wobei wir hier nicht unter
OP-Bedingungen arbeiten, wir versuchen sehr sauber zu arbeiten, aber
das ist trotz alledem ein Sektionssaal, und den kriegt man nicht
steril, wir arbeiten hier nicht wie die Chirurgen im OP.
Sprecherin:
Selbst am zweiten
Weihnachtstag ist in der Rechtsmedizin ein zweiköpfiges Team im
Einsatz. Auf dem Sektionstisch liegt die Leiche einer 90-jährigen
Frau. Sie ist nackt, nur Kopf und Rumpf sind mit Tüchern abgedeckt.
O-Ton Christian Braun:
Was wir bei ihr an Gewebe entnehmen werden, ist nicht sozusagen das
volle Programm, das wir machen, weil sie aufgrund ihres Alters schon
so ist, dass man sagt, man kann nicht jedes Gewebe hernehmen, weil es
erfahrungsgemäß schon etwas degeneriert ist, das heißt wir nehmen die
Oberarmknochen, wir nehmen die Oberschenkelknochen, wir nehmen die
Schienbeine und von dem Fußknochen nehmen wir auch noch einen und wir
werden versuchen, das müssen wir schauen, ob wir das nachher schaffen,
auch vom Beckenknochen ein Stück noch zu nehmen.
Sprecherin:
Christian Braun
ist Rechtsmediziner im Hamburger Universitätsklinikum. An seiner Seite
arbeitet der Präparator Jürgen Brillinger, er hat schon einige 1000
Leichen seziert.
O-Ton Christian Braun:
Vom Beckenkamm bis zum Innenknöchel haben wir jetzt einen Schnitt über
das gesamte Bein gemacht, um uns den Zugang zu ermöglichen, jetzt
präparieren wir hier schichtweise erst die Haut und das
Unterhautfettgewebe weg bis auf den Muskel. Wenn diese Dame jetzt
jünger wäre, müsste ich auch hier an der Außenseite vom Oberschenkel
sehr aufpassen, weil wir dann auch die sogenannte Fascia lata noch
entnehmen würden, das ist eine bindegewebige Platte, die an der
Außenseite des Oberschenkels zu finden ist, die man auch hernehmen
kann für verschiedene Zwecke, zum Beispiel zur Deckung von Wunden.
Sprecherin:
Die Frau wurde am
Vortag tot in der Wohnung gefunden. Da der Hausarzt über die Feiertage
nicht zu erreichen war, um einen natürlichen Tod zu bescheinigen,
brachte man sie in die Rechtsmedizin. Bei der 90-Jährigen waren die
äußeren Bedingungen für eine Gewebeentnahme günstig: eine schnell
gekühlte Leiche, an Vorerkrankungen nur Alzheimer und ein Lungenleiden
bekannt.
O-Ton Christian Braun, Martina Keller
Hier habe ich die Kniescheibe, jetzt öffne ich hier das Knie. (zu MK)
Ihnen geht’s noch gut? – Äh, ja
Sie können auch gerne den Hocker nehmen, wenn Sie sich hinsetzen
wollen. So, jetzt sieht man hier die Menisken und die Kreuzbänder,
vorderes Kreuzband und hinteres Kreuzband, die schneide ich jetzt
einfach durch ...
Sprecherin:
Bis zu 3500
Leichen gelangen jährlich in das Institut für Rechtsmedizin der
Hamburger Universitätsklinik. Etwa ein Zehntel davon kommt für die
Gewebespende infrage. Doch nach den Erfahrungen des ersten Jahres
stimmen die Angehörigen nur in 14 Prozent der Fälle einer Explantation,
also einer Organ- und Gewebespende, zu. Bei der oft lebensrettenden
Organverpflanzung sind es fast zwei Drittel, die zustimmen. Die
Hamburger Rechtsmediziner wollen die Gewebespende in der
Öffentlichkeit bekannt machen. Die Unternehmenskommunikation der
Universitätsklinik soll dabei helfen. Doch wie wirbt man für
Körperrecycling, wenn Firmen mit aufgearbeiteten Geweben Geld
verdienen dürfen? Und wenn es eher selten um Leben oder Tod geht,
häufig jedoch um eine bessere Lebensqualität und mitunter auch um
Lifestyle-Fragen?
O-Ton Klaus Püschel:
Wenn ein Mensch mit einer ... Hornhautverletzung, der nicht mehr
Zeitung lesen kann, oder nicht mehr Fernsehen gucken kann, oder sich
im Verkehr nicht mehr richtig orientieren kann, dann wieder richtig
sehen kann, dann ist das in Bezug auf sein Leben eine entscheidende
Verbesserung, ich würde das durchaus vergleichen mit einer
Nierentransplantation bei einem dialysepflichtigen Patienten.
Sprecherin:
Klaus Püschel ist
Direktor am Hamburger Institut für Rechtsmedizin.
O-Ton Klaus Püschel:
Denken Sie an Hautübertragungen bei schwer Brandverletzten, das kann
durchaus lebensrettend sein, und wenn sie bei einem kleinen Kind einen
großen Bauchdeckendefekt schließen können mit einer Sehnenplatte von
einem Verstorbenen, dann ist das für die Lebensqualität des Kindes von
erheblicher Bedeutung. Also die Gewebetransplantation wird da
vielleicht nicht ausreichend wertgeschätzt, ich persönlich stehe sehr
nachhaltig dahinter und sag, das sollte ähnlich engagiert betrieben
werden wie die Organtransplantation.
Sprecherin:
Klaus Püschel hat
deshalb am Institut für Rechtsmedizin ein straffes Management für die
Gewebeentnahme eingeführt. Schon seit langem wurden in Hamburg
Augenhornhäute entnommen und an die klinikeigene Gewebebank
weitergeben. Ein Jahr vor Inkrafttreten des Gewebegesetzes im August
2007 begann man, mit einem gemeinnützigen pharmazeutischen Hersteller
in Berlin zu kooperieren. Das Deutsche Institut für Zell- und
Gewebeersatz – kurz DIZG – bekommt seither von der Rechtsmedizin
Knochen, Sehnen, Muskelhüllen und neuerdings auch Leichenhaut.
Das Hamburger
Projekt Gewebespende ist noch in den Anfängen. Zunächst wurde der
Prozess der Entnahme am Universitätsklinikum selbst organisiert. Dann
folgten Vereinbarungen mit den pathologischen Instituten der großen
Hamburger Krankenhäuser. Doch Klaus Püschel denkt weiter.
O-Ton Klaus Püschel:
Letztlich habe ich
schon die Vorstellung, dass auch die Möglichkeit besteht, bei
Verstorbenen ganz allgemein hier im Raum Hamburg das Angebot zu
machen, dass Gewebe für Transplantationszwecke zur Verfügung gestellt
wird, dafür müsste man dann einen Apparat aufbauen, der bei allen
Verstorbenen tatsächlich diese Möglichkeit bekannt macht ... Und wenn
man sich klarmacht, dass wir für Gewebetransplantationen Spender bis
90 Jahre haben können, ... dann würde man auch bei einem normalen
Herzinfarkt, der sich zu Hause ereignet, den Verstorbenen in das
System einsteuern können.
Atmo Sektionssaal
O-Ton Christian Braun:
Können Sie hier mal versuchen, die Beinvene darzustellen, Herr
Brillinger, damit wir da noch mal Blut rausbekommen? So, das hier ist
dann der Unterschenkelknochen, das Schienbein links.
Sprecherin:
Christian Braun
müht sich, Blut aus der Leiche zu gewinnen, es wird später im Labor
auf infektiöse Krankheiten getestet. Diese Maßnahme soll verhindern,
dass Patienten verseuchte Gewebe eingepflanzt bekommen. Doch das Herz
der Verstorbenen steht still, und damit auch das Blut in ihren Adern.
Atmo, Spritze hängt vorne dran
O-Ton Christian Braun:
So, stopp, das ist so’n bisschen ein Geduldsspiel.
Notfalls müssen wir gucken, dass wir noch ein bisschen Herzblut
bekommen
Okay, so Milliliter für Milliliter füllt sich hier die Spritze
Sprecherin:
In Deutschland
gibt es bislang drei pharmazeutische Hersteller von Knochenprodukten.
Das DIZG, Tutogen Medical und die Berliner Universitätsklinik Charité.
Daneben existieren Hunderte von klinikeigenen Knochenbanken. Die
genaue Zahl kannte lange Zeit niemand – wie überhaupt viele Fakten zur
Gewebespende im Dunkeln lagen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden
listet zwar minutiös auf, wie viele Jungmasthühner im Jahr produziert
wurden, als Ganzes mit Innereien und Hals, als Ganzes ohne Innereien
und Hals, zerteilt, tiefgefroren oder lebensfrisch. Doch niemand
wusste bislang, wie viele Herzklappen, Knochen oder Gefäße von Leichen
in Deutschland jährlich gewonnen und transplantiert werden, wie viele
darüber hinaus gebraucht und welche Produkte aus dem Ausland nach
Deutschland eingeführt werden. Das soll nun anders werden. Das
Gewebegesetz verspricht mehr Sicherheit und Transparenz. Mit der
Transparenz ist es allerdings so eine Sache.
O-Ton Brigitte Tag:
Wenn der Laie dieses Gesetz aufschlägt, allein wenn Sie die
Ergänzungen zum Arzneimittelgesetz (AMG) sehen, und das AMG war bis
dahin schon eine Materie, die sehr, sehr schwierig ist, und jetzt
sieht man Paragraphen, die bis zu 30 Absätze haben und diese
Paragraphen werden ergänzt, z. B. §4 durch §4a, dann sieht man, dass
der Gesetzgeber sehr umfassend gearbeitet hat, aber ein Stück weit
auch sehr umständlich, und das hat zur Folge, dass dieser rote Faden,
das worum es eigentlich geht, für den Laien kaum noch aufzufinden ist.
Sprecherin:
Brigitte Tag ist Jura-Professorin in Zürich und Spezialistin für
Fragen des Umgangs mit der Leiche. Sie hat an der Autopsie-Richtlinie
der Bundesärztekammer mitgearbeitet.
O-Ton Brigitte Tag:
Man muss sich überlegen, wozu werden diese Gesetze gemacht, ... es
geht doch auch darum, den Menschen zu verdeutlichen, dass die Spende
von Organen, von Geweben für andere lebensrettend sein kann. Wenn Sie
dieses Gesetz lesen, dann kommt beim normalen Menschen,
sage ich, der juristisch keine besondere Ausbildung hat,sofort der Gedanke auf, hier wird etwas verschleiert, ich
versteh es nicht mehr, und das hat zur Folge eine Rückzugsmentalität.
Sprecherin:
Mittlerweile hat
der Gesetzgeber den Gesetzestext ein wenig übersichtlicher gestaltet.
Der Kern der Bestimmungen: Sämtliche Gewebe und Zellen werden den
strengen Auflagen des Arzneimittelgesetzes unterstellt. Wie die
Organspende bleibt die Gewebespende unentgeltlich, ein selbstloses
Geschenk der Verstorbenen. Denn internationale Konventionen und auch
das deutsche Transplantationsgesetz verbieten die Kommerzialisierung
des menschlichen Körpers. Allerdings gilt das
Kommerzialisierungsverbot nur für gering verarbeitete
Gewebezubereitungen, Herzklappen zum Beispiel oder Augenhornhäute.
Wenn Gewebe hingegen industriell hergestellt werden, wie etwa Knochen
und Sehnen, müssen die Hersteller für ihr Produkt beim
Paul-Ehrlich-Institut in Berlin eine Zulassung beantragen, wie für ein
x-beliebiges Medikament. Erst wenn diese Hürde genommen ist, dürfen
sie mit ihren Produkten handeln.
O-Ton Brigitte Tag:
Die Entscheidung des Gesetzgebers ist ganz eindeutig. Dadurch, dass es
dem Arzneimittelgesetz unterstellt ist, ist natürlich die Gewinnspanne
ermöglicht, was nicht per se negativ sein muss. Eine gewisse
Gewinnspanne kann auch dafür sorgen, dass die Sicherheitsstandards
sehr hoch sind und dass es entsprechend umgesetzt und eingehalten
wird, aber der Hintergrund ist schon auch ... die Ausnahme vom
Kommerzialisierungsverbot, so dass ein Stück weit – nun, ich möchte
nicht sagen, der Körper kommerzialisiert wird, er ist schon
kommerzialisiert – aber es wurde legitimiert in diesem Bereich.
Sprecherin:
Gewebe ist ein
begehrtes Gut, und die Nachfrage nach Rohmaterial wächst. Doch die
Ärzte in Deutschland können nicht nach Belieben auf Verstorbene
zugreifen. Das Persönlichkeitsrecht setzt der Gewebeentnahme Grenzen.
So garantiert das Grundgesetz das Recht auf Selbstbestimmung. Es gilt
– innerhalb sittlicher Schranken – über den Tod hinaus. Ähnlich wie
ein Mensch in seinem Testament über sein Vermögen verfügen darf,
bleibt es ihm freigestellt, den Umgang mit seiner Leiche zu regeln.
Gewebe darf folglich nur entnommen werden, wenn der Verstorbene dem zu
Lebzeiten zugestimmt hat – oder nach seinem Tod stellvertretend die
Angehörigen.
Viele andere
Staaten haben den Umgang mit der Leiche weniger streng geregelt.
Insbesondere in osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Tschechien oder
Lettland gilt meist die Widerspruchslösung: Wer der Gewebeentnahme zu
Lebzeiten nicht widerspricht, dessen Zustimmung wird vorausgesetzt.
O-Ton Brigitte Tag:
Es kann natürlich sein, dass deswegen der Anreiz besteht auf andere
Länder zuzugreifen, in denen die Rechtslage noch nicht so sehr
ausformuliert ist, und das führt natürlich dann doch auch vielleicht
zu Exporten und Importen, die wir heute aus unserer Rechtswarte und
aus unserer ethischen Bewertung als kritisch betrachten, weil die
Gewebegewinnung in den anderen Ländern unseren ethischen rechtlichen
Maßstäben nicht vollständig entspricht.
Sprecherin:
Als Inara
Kovalevska aus Riga erfuhr, dass ihr Mann Gunnars entbeint worden war,
fühlte sie sich, als wäre sie selbst beraubt worden. Sie wünschte,
dass die Verantwortlichen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen würden,
doch die lettische Sicherheitspolizei hat ihre Ermittlungen
eingestellt. Zusammen mit einer anderen betroffenen Angehörigen
erstattete Inara auch in Deutschland Anzeige gegen unbekannt. Ende
2006 erhielt sie Antwort. Die Staatsanwaltschaft Bamberg teilte mit
Schreiben vom 7.12.2006 mit, von der Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens sei abzusehen. Nach einem Bericht der lettischen
Sicherheitspolizei hätten sich keine hinreichenden Anhaltspunkte
ergeben. Den verantwortlichen Personen der Firma Tutogen Medical könne
ein strafbares Verhalten nicht zur Last gelegt werden. Dem Zentrum für
Rechtsmedizin in Riga sei kein gewerbsmäßiger Handel vorzuwerfen.
Seit 2003 bezieht
die Firma Tutogen Medical kein Gewebe mehr aus Lettland. Rund die
Hälfte ihres Rohmaterials importierte sie seither aus anderen
osteuropäischen Ländern. In Deutschland bekommt sie Gewebe vom
Rechtsmedizinischen Zentrum der Universitätsklinik Frankfurt.
Im Sektionssaal
des Rechtsmedizinischen Instituts der Universitätsklinik Hamburg ist
die Explantation der 90-Jährigen beendet.
Atmo Sektionssaal
O-Ton Christian Braun:
Wir haben entnommen: einmal die Oberarmknochen links und rechts,
einmal die Oberschenkelknochen, das Schienbein, diesen Kalkaneus mit
einem Stück Achillessehne dran und jeweils ein Stück Beckenkamm, das
ist das, was wir bei dieser Dame jetzt entnommen haben, genau.
Sprecherin:
Christian Braun, der
Rechtsmediziner, hat seine Arbeit getan. Nun werden die entnommenen
Knochen verpackt: erst in eine Plastiktüte, dann in einen Strumpf, um
die Knochen zu polstern, dann wieder in eine Plastiktüte. Jede Hülle
wird mit einem Etikett versehen, auf das die Spenderkennung und die
Bezeichnung des Knochens geschrieben werden. Unterdessen macht sich
der Präparator Jürgen Brillinger daran, den Leichnam der 90-jährigen
Frau für die Bestattung herzurichten.
O-Ton Jürgen
Brillinger:
Da mach ich jetzt ein Stück Holz
rein, polster das noch ein bisschen aus mit Zellstoff und dann vernäh
ich das vernünftig, dass man die Dame dann auch dem Bestatter
übergeben kann, und dann wird sie anschließend, wenn sie fertig ist,
dann wird sie auch noch mal gewaschen, dass soweit keine
Blutrückstände mehr vorhanden sind, denn es besteht ja immer noch die
Möglichkeit, dass die Dame von den Angehörigen noch mal besichtigt
wird, und desto sauberer die Dame übergeben wird, desto besser.