Kirchliche Gerichte urteilten über viele Hexen.
Todesurteile waren sehr selten. Üblicherweise wurde eine wegen
Hexerei verurteilte Person mit der Exkommunikation, einer Buße oder
mit Haft bestraft. Von Jenny Gibbons.
Ausschnitt einer Hexendarstellung
des deutschen Malers Hans Baldung († 1545)
(kreuz.net) Über Jahre wurde die Verantwortung
für die große Hexenjagd der Katholischen Kirche in die Schuhe
geschoben. Historiker des 19. Jahrhunderts führten die Verfolgung
auf eine religiöse Hysterie zurück.
Als Margaret Murray die These vorbrachte, daß Hexen Mitglieder einer
heidnischen Sekte waren, trompeteten Divulgatoren, daß die Große
Hexenjagd keine bloße Panik war, sondern vielmehr ein bewußter
Versuch des Christentums, eine rivalisierende Religion auszurotten.
Heute wissen wir, daß es für diese Theorie kein Beweismaterial gibt.
Als die Kirche auf dem Höhepunkt ihrer Macht stand – im 11. bis 14.
Jahrhundert – starben sehr wenige Hexen.
Bis nach der
Die Zeit der Hexenverbrennungen
Als die Kirche auf dem Höhepunkt ihrer Macht
stand – im 11. bis 14. Jahrhundert – starben sehr wenige Hexen.
Reformation – als die Katholische Kirche ihre
Position als die unangefochtene moralische Autorität Europas
verlor – erreichten die Verfolgungen keine epidemischen Ausmaße.
Außerdem wurden die meisten Tötungen von weltlichen Gerichten
durchgeführt.
Kirchliche Gerichte urteilten über viele Hexen. Aber gewöhnlich
sprachen sie keine Todesurteile aus. Eine der Hexerei beschuldigte
Person konnte mit der Exkommunikation bestraft werden, eine Buße
erhalten oder eingekerkert werden. Aber sie wurde selten getötet.
Die Inquisition vergab fast jeder Hexe, die ein Bekenntnis ablegte
und bereute.
Wir können dazu den Fall in York – England – anführen, der von Keith
Thomas in seinem Werk „Religion und der Niedergang der Magie“
beschrieben wird:
Auf der Höhe der Großen Hexenjagd (1567-1640) wurde dort die Hälfte
aller Hexenfälle, die vor kirchliche Gerichte gebracht wurde, wegen
Mangel an Beweisen abgewiesen.
Folter wurde keine verwendet und der Angeklagte konnte seinen Namen
reinwaschen, indem er vier bis acht Zeugen vorbrachte, die schworen,
daß die betreffende Person keine Hexe sei.
Nur 21% der Fälle endeten mit Verurteilungen. Die Kirche sprach
dabei keine Körper- oder Todesstrafen aus.
Generell wurde die große Mehrheit der Hexen von weltlichen Gerichten
verurteilt. Ironischerweise waren örtliche Gerichte die schlimmsten.
Einige Autoren wie Anne Llewellyn Barstow – in ihrem Werk
„Hexenwahn“ – führen den Anstieg der Todesraten auf einen Niedergang
der „gemeinschaftsbezogenen“ mittelalterlichen Gerichtshöfe zurück
und auf das Aufkommen zentralisierter „nationaler“ Gerichtshöfe.
Nichts ist von der Wahrheit weiter entfernt.
Die Inquisition vergab fast jeder Hexe, die ein
Bekenntnis ablegte und bereute.
„Gemeinschaftsbezogene“ Gerichte erwiesen sich häufig als
eigentliche Schlachthöfe, die für die Tötung von 90% aller
angeklagten Hexen verantwortlich waren. Nationale Gerichte
verurteilten nur etwa 30% der Angeklagten.
Warum war die Anzahl der Hinrichtungen so unterschiedlich?
Zivile Gerichte behandelten tendenziell die Fälle von „schwarzer“
Magie. Das waren Prozesse, die sich auf magische Morde,
Brandstiftung und andere Gewaltverbrechen bezogen.
Kirchliche Gerichte behandelten eher die „weiße“ Magie, also Fälle
von magischen Heilungen, Vorhersagen und Schutzmagie.
Gerichtsdokumente zeigen, daß die kirchlichen Gerichte Heilungen
immer milder behandelten als Verfluchungen.
Außerdem dienten die weltlichen und die kirchlichen Gerichtshöfe
zwei unterschiedlichen Zielsetzungen.
Zivile Gerichte „schützen“ die Gesellschaft, indem sie verurteilte
Verbrecher bestraften und töteten.
In der Theorie war das kirchliche Gerichtssystem dazu bestimmt,
einen Verbrecher „zu retten“, ihn also wieder zu einem guten
Christen zu machen. Nur Sünder, die keine Reue zeigten, sollten
hingerichtet werden.
Die Unterschiede zwischen örtlichen und nationalen Gerichtshöfen
sind ebenfalls leicht zu erklären.
Fälle von Hexerei waren gewöhnlich von allgemeinen Angstausbrüchen
und öffentlichen Protesten begleitet. Die Mitglieder
„gemeinschaftsbezogener“ Gerichtshöfe stammten aus jener
Menschengruppe, die von der Panik betroffen war.
Nationale Gerichtshöfe besaßen eine größere Distanz zu den
Hysterien.
Außerdem beschäftigten nationale Gerichtshöfe in der Regel
professionelle und ausgebildete Mitarbeiter, bei denen die
Wahrscheinlichkeit geringer war, daß sie eilig „Gerechtigkeit“
schaffen und dabei wichtige gesetzliche Leitplanken vernachlässigen
würden.
Jenny Gibbons, die Autorin des Beitrages studierte Mittelalterliche
Geschichte und ist Anhängerin eines modernen Hexenkultes.