Die Leichenverbrennung
(aus: Gottesdienstordnung Überlingen; von Pater Hermann Weinzierl)
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Vielen von uns ist es wohl inzwischen schon
begegnet, daß in der eigenen Verwandtschaft sich jemand hat
einäschern lassen, obwohl er katholisch war. Leider hat auch hier,
wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, die Amtskirche sich
inzwischen dem Zeitgeist angepaßt und die früheren kirchlichen
Strafen betreffs der Leichenverbrennung aufgehoben. Darum wird
vonseiten der modernen Kirche auch nichts mehr gegen diese Praxis
gesagt und getan. Einige von Ihnen haben mich daher schon gefragt,
was man denn von katholischer Seite gegen die sich immer mehr
verbreitende Leichenverbrennung sagen könne. Weil dieses Thema
wohl viele interessieren wird, möchte ich im Rahmen unserer
Gottesdienstordnung versuchen, darauf eine knappe Antwort zu
geben. |
I. Die altheidnische
Leichenverbrennung
Nach den Forschungen war nicht die Leichenverbrennung, sondern die
Erdbestattung die ursprüngliche Bestattungsform bei den Völkern. Die
Erdbestattung blieb auch dort, wo die Leichenverbrennung sich
durchsetzte, weiter gebräuchlich und löste die Leichenverbrennung fast
immer wieder ab. Die Leichenverbrennung entstand wohl zuerst bei
Nomadenvölkern aus praktischen Gründen und solchen der Pietät. Die
Leiche sollte nicht Feinden in die Hände fallen, sondern in den
Aschenresten mit dem Stamm mit-geführt werden. Von diesen
Wandervölkern, die in ihren Eroberungsgebieten als Sieger- u.
Herrenvölker erschienen, übernahmen die unterdrückten Völker die
Leichenverbrennung als vornehmere Sitte. Bei Völkern primitiver
Kulturen wirkte auch die Furcht vor dem Toten mit, bei Völkern höherer
Kulturen der Gedanke, das Feuer befreie die Seele, läutere und führe
sie zu höherer Daseinsform. Daß bei verschiedenen Völkern die
Leichenverbrennung nur an Häuptlingen und Priestern vorgenommen wurde,
setzt die Erdbestattung als die ursprünglichere, gewöhnliche
Bestattungsform voraus: Der Vornehme erhielt eine außergewöhnliche und
teurere Bestattung in der Leichenverbrennung.
Die abscheuliche Sitte der Kremation finden wir also vor allem bei den
Heiden und den Israeliten, die der Abgötterei verfallen waren und ihre
Söhne durchs Feuer gehen ließen oder diese dem Moloch zu Ehren
verbrannten (5. Mose 12,31; Hes. 20,31; 2 Kön 17,17; 16,3; 21,6).
II. Die christliche Erdbestattung
Bei allen christlichen Völkern galt entgegen der heidnischen Sitte
der Leichenverbrennung von Anfang an die Erdbestattung als
selbstverständlich im Hinblick auf Christi Beispiel. Sie haben mit
Vorliebe bei ihren Beerdigungen – in den Katakomben – die Weise
nachgeahmt, wie Jesus Christus begraben wurde. Der Leichnam Jesu, in
Leinwand eingewickelt und mit Spezereien einbalsamiert, wurde in eine
Gruft, in Felsen
ausgehauen, gelegt, und ein Stein verschloß sein Grab (vgl. Mt
27,57-65; Joh 19,38-42). Aber nicht erst die Christen erkannten darin
den Willen Gottes; von alters her schon hat das Volk Gottes seine
Toten begraben. Im Alten Testament wird öfters erwähnt, daß die
Leichenverbrennung dem Herrn ein Greuel ist. So wurde z.B. Moab wegen
der Verbrennung der Gebeine des Königs von Edom schwer bestraft (Amos
2,1-3); der Herr selbst begrub dagegen Moses im Tale des Landes Moab
(5 Mose 34,6).
Wo das Christentum bei seiner Ausbreitung auf die Leichenverbrennung
stieß, überwand es sie als heidnischen Brauch. Unser Vorbild im Leben
und Sterben ist Christus. Leben mit Christus, sterben mit Christus,
dem Heiland ähnlich sein im Tode, in seinen Armen geborgen sein im
Tode, durch ihn auferstehen zur ewigen Seligkeit, das war immer des
Christen Wunsch und Streben. Aus dieser Gesinnung heraus hat das junge
Christentum mit der Leichenverbrennung überall sofort Schluß gemacht,
wo es sie vorfand. Christus ist nach seinem Tode nicht verbrannt,
sondern begraben worden. So wollte auch der Christ im Tode seinem
göttlichen Meister ähnlich werden und wie er im Schoß der Erde ruhen.
Man empfand es als ungereimt und ungehörig, vor einer Aschenurne zu
beten: „Ich glaube an Jesus Christus ... gekreuzigt, gestorben und
begraben.” Dieses altchristliche Empfinden ist auch heute noch in
der Kirche lebendig. Wir Christen wollen im Leben und im Tode dem
Beispiel dessen folgen, der den Tod überwunden und ihm seinen Stachel
genommen hat. Wir folgen ihm in den Tod und ins Grab und hoffen, daß
wir ihm auch zu glorreicher Auferstehung folgen dürfen. Die
Leichenverbrennung zerstört diese ganze christliche Vorstellung vom
Tod. Christus bezeichnet den Tod öfter als Schlaf. „ Unser Freund
Lazarus schläft; aber ich gehe hin, ihn vom Schlafe aufzuwecken” (Jo.
11,11). Ebenso spricht Er vom toten Töchterlein des Jairus: „Weint
nicht! Das Mädchen ist nicht tot, es schläft nur!” (Lk 8,52). Auch
Paulus gebraucht dieses Bild vom Schlaf der Toten. Er nennt die Toten
„Entschlafene” und Christus den „Erstling der Entschlafenen”. Die
Urchristen nannten in diesem Sinn die Begräbnisplätze Coemeterien,
d.h. Schlafstätten, und die Inschriften auf den Grabstätten sprechen
immer wieder von der „Ruhe des Grabes”, vom „Schlummer des Friedens”,
von „Schlaf wohl!” u.ä. Noch heute bezeichnen wir die Totenstätten als
Friedhöfe, als Orte, wo die Toten im Frieden schlummern; als
Gottesäcker, wo die Toten ruhen, um einst wieder zu neuem Leben zu
erwachen. Die Schlafenden, die Wiedererwachenden verbrennt man aber
doch nicht! Man läßt sie ausruhen von ihren Arbeiten und Mühen. Die
Verbrennung der Leichen zerstört brutal diese urchristliche
Vorstellung vom Schlummer im Grabe. Der Heiland gebrauchte das Bild
vom sterbenden und in Fruchtbarkeit wieder erstehenden Weizenkorn.
„Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es
allein; wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht” (Jo 12,24).
Paulus hat diesen Gedanken, dass der Menschenleib gleichsam als
Saatkorn in die Erde gesenkt wird, das wohl dort stirbt, aber
gestorben wieder zu neuem Leben ersteht, in seinem 1. Korintherbrief
(1 Kor 15,42-44) noch weiter ausgeführt: „Gesät wird der Leib in
Verweslichkeit, auferstehen wird er in Unverweslichkeit. Gesät wird er
in Unehre, auferstehen wird er in Herrlichkeit. Gesät wird er in
Schwachheit, auferstehen wird er in Kraft. Gesät wird ein tierischer
Leib, auferstehen wird ein geistiger Leib.” Wie hoffnungsfroh ist
dieses herrliche Bild vom Samenkorn! Es läßt uns beim Tode eines
lieben Angehörigen die Verwesung des Leibes vergessen und richtet
unseren Blick auf das frohe Auferstehen, das die Verwesung vollkommen
in den Hintergrund drängt. Die Leichenverbrennung zerstört diesen
Gedanken. Verbrennen heißt vernichten, säen heißt Leben pflanzen.
Niemand verbrennt den Samen und streut die Asche auf den Acker. Zum
Säen wählt man die besten Körner, als Saatgut nimmt man nur
Edelfrucht. Verbrannt dagegen werden Dinge, die keinen Wert mehr
haben, die unnütz geworden sind. Niemandem fällt ein, einen wertvollen
Gegenstand oder ein teures Andenken zu verbrennen. So zeigt sich in
der Beerdigung der Leichen eine Hochschätzung des menschlichen Leibes,
der als würdiges Weizenkorn in Gottes Acker verpflanzt werden soll,
während in der Verbrennung eine Minderbewertung und Geringschätzung
zum Ausdruck kommt.
III. Die moderne Leichenverbrennung
Unter dem Einfluß von Renaissance und Aufklärung, die eine
schwärmerische Rückbesinnung auf das Heidentum mit sich brachte, griff
man erst vom 17. Jahrhundert an wieder auf die antike
Leichenverbrennung zurück. 1797 und 1799,also zur Zeit der
französischen Revolution, machte Frankreich den gescheiterten Versuch
einer allgemeinen Einführung der Leichenverbrennung und Abschaffung
der Friedhöfe. Von Frankreich aus schwappte seit 1848, wenn auch
schwach, eine zweite Welle in verschiedene Länder über. Hauptvertreter
waren dort Balzac, Gautier und Bonneau, in Italien Coletti, Morelli
und Castiglioni, in England die Ärzte Cobbe und Lord, in Deutschland
Jacob Grimm, Vogt und Moleschott. Erst die dritte Welle, die unter
Führung der Freimaurerei von Italien ausging, brachte ein stärkeres
Anwachsen der Leichenverbrennung. Der bei Eröffnung des Ersten
Vatikanischen Konzils in Neapel tagende internationale
Freimaurerkongreß beschloß, lebhaft für die Leichenverbrennung zu
werben, um die katholische Kirche zu vernichten. Der italienische
Freimaurer Castellazzo schrieb 1885: „Die Zivilehe nimmt dem Papst und
der Kirche die Familie. Der konfessionslose Laienunterricht nimmt
ihnen die heranwachsende Generation. Die bürgerlichen Begräbnisse und
die Leichenverbrennung werden ihnen noch den letzten Rest und die
letzten Ansprüche beim Tode entreißen. So wird der Fortschritt Papst
und Kirche bald vernichtet haben!” Die Freidenker und Freimaurer
schwärmen vor allem deswegen für die Leichenverbrennung, weil sie
besonders geeignet ist, die von ihnen erwünschte gänzliche Vernichtung
des Menschen nach dem Tode zu versinnbildlichen. Der 1869 zu Florenz
versammelte internationale medizinische Kongress fasste aus
hygienischen Gründen einen ähnlichen Entschluß wie die Freimauerei. In
dieser Zeit organisierte sich die Feuerbestattungsbewegung: 1874 „Cremation
Society of England”,
1880 „Verein zur Förderung der Feuerbestattung in Paris”, 1882 „Liga
aller Leichenverbrennungsvereine Italiens”, 1887 „Internationale
Liga sämtlicher Vereine für Leichenverbrennung”; in Deutschland
Zusammenschluß zum „Verband der Feuerbestattungsvereine deutscher
Sprache”. Nationale und internationale Feuerbestattungskongresse
tagten; Krematorien wurden errichtet (1874 moderne Konstruktion durch
Ferdinand Siemens; 1876 Krematorium in Gotha, 1891 Heidelberg, 1892
Hamburg; 1886/87 in Paris beim Pere-Lachaise). Petitionen gingen an
Regierungen und Parlamente. 1876 erfolgte die staatliche Regelung in
Italien und in Deutschland (zunächst in Sachsen-Coburg-Gotha, später
in Baden und Hamburg, zuletzt in Preußen und Bayern), 1889 in
Frankreich.
Die vierte Welle setzte unter dem Einfluß der proletarischen
Freidenkerbewegung ein, die zusammen mit dem bürgerlichen Liberalismus
für die Leichenverbrennung arbeitete und es in Deutschland zu einer
Leichenverbrennungsbewegung brachte. 1905 bildete sich der
marxistische ,Verein der Freidenker für Feuerbestattung"; er schloß
sich 1927 mit der „Gemeinschaft proletarischer Freidenker” zum
„Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung” zusammen, der im April
1930 den Namen „Deutscher Freidenkenker-Verband” annahm und sich im
August 1933 in die „Neue deutsche Bestattungskasse
für Erd- und Feuerbestattung” ohne religiöse Zwangsbestimmungen
umwandelte. Seit der Jahrhundertwende verlor die Leichenverbrennung in
den katholischen Ländern
Italien und Frankreich ganz an Bedeutung.
IV. Obwohl die Leichenverbrennung
keinem Dogma direkt widerspricht, hat die Kirche sie
wegen des Gegensatzes zur christlichen Tradition und der in der
Leichenver-brennungsagitation vielfach wirksamen antikirchlichen und
antireligiösen Propaganda verboten (can. 1203 §1). Die Kremation ist
antichristlich, sie ist „ein abscheulicher Missbrauch”, schreibt etwa
Leo XIII. (19.5.1886). Ordnet jemand die Verbrennung seines Leichnams
an, so ist die Erfüllung dieses Willens unerlaubt, die Beifügung des
Wunsches in Kontrakt oder Testament als nicht geschehen zu betrachten
(can. 1203 §2). Der Betreffende kann nicht kirchlich beerdigt werden,
falls er kein Zeichen der Reue gegeben hat (can. 1240 §1,5). Auch darf
für ihn nur privatim Messe gelesen werden (Sanct-um Officium vom
27.7.1892). Verboten ist, einem Leichen-verbrennungsverein anzugehören
(Sanctum Officium vom 19.5.1886). Exequien (Be-gräbnisfeier und
Totenmesse) dürfen nur vorgenommen werden, wenn die
Leichen-verbrennung durch andere veranlasst wurde und kein Ärgernis
entsteht; doch ist dem Geistlichen die Begleitung zum Krematorium
verboten.
V. Die für die Leichenverbrennung vorgebrachten Gründe sind nicht
stichhaltig
Ästhetisch und psychologisch rechtfertigen die gewaltsame Vernichtung
des Körpers durch Feuer und die Erscheinungen dabei den kirchlichen
Abscheu vor der Leichenverbrennung (Sanctum Officium vom 19.5.1886 und
19.6.1926). Die Kirche hat Ehrfurcht vor dem durch Christi Blut
erlösten, durch die Gnade geheiligten und zur Auferstehung berufenen
Leib; sie überläßt mit der Erdbestattung den Zerstörungsprozeß den
natürlichen Gesetzen, und die Vorstellung der Verwesung im Grabe
verliert viel von dem Grauenhaften durch die christliche Idee des zum
Absterben und zu neuer Auferstehung in die Erde gelegten Weizenkorns.
Bei zweckmäßig angelegten Friedhöfen liegt keine Gefahr der
Verseuchung der Luft, des Grund- od. Trinkwassers vor.
Die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens ist bei der heutigen
medizinischen Forschung und Leichenschau äußerst gering und jedenfalls
nicht grausiger als die Gefahr des Lebendigverbranntwerdens. Gegen die
Leichenverbrennung spricht endlich, dass sie im Gegensatz zur
Erdbestattung die Exhumation (Wiederausgrabung einer bestatteten
Leiche) zum Zwecke der Nachforschung bei Verbrechen unmöglich
macht.
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Der
Leichenverbrenner sucht nach Schmuck und anderen Wertgegenständen,
um sie vor dem Verbrennen zu entfernen. Nach dem Brennvorgang bei
ca. 1200 Grad bleiben Knochenreste ; und Zahngold, Plomben und
Implantate übrig. Diese werden herausgenommen und die
verbleibenden Knochen in einer Mühle zu Staub gemahlen (siehe Bild
linke Seite) |
Es dürfte durch das Gesagte deutlich
geworden sein, dass die persönliche Einstellung des Gläubigen zur
Leichenverbrennung durchaus nichts Nebensächliches ist. Doch leider
sind auch hierin die Feinde der Kirche klüger und konsequenter als die
Katholiken unserer Zeit. Sie haben systematisch das Unwesen der
Leichenverbrennung propagiert, um damit allmählich den Glauben an die
Auferstehung von den Toten zu untergraben — was ihnen wohl schon
weitgehend gelungen ist. Bei wie vielen Menschen ist inzwischen die
einzig wahre Hoffnung, die uns unser auferstandener Herr gegeben hat —
wir werden einst mit ihm auferstehen und mit Leib und Seele an seiner
Herrlichkeit teilnehmen — verloren gegangen. Möge sie in dagegen uns
immer fester und freudiger werden!
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